Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderung. Vertragsstaat. Arbeitsmarkt. Zugang

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einen Automatismus dahingehend, dass die Gewährung von Rente durch einen Vertragsstaat die Gewährung von Rente durch den anderen Vertragsstaat nach sich ziehen würde, gibt es nicht.

2. Die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung hängt davon ab, ob ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung in seiner zeitlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, nicht davon, ob ihm aufgrund anderweitiger Rechtsvorschriften der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt ist.

 

Normenkette

SGB VI § 43

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.04.2009; Aktenzeichen B 5 R 46/09 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22.03.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren hat.

Der Kläger ist 1952 geboren. Er hat die Staatsbürgerschaft Bosnien-Herzegowinas und dort auch seinen aktuellen Wohnsitz. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt er nicht. Zuletzt war er in Bosnien-Herzegowina als Busfahrer tätig.

Zwischen dem 21.02.1973 und dem 30.06.1978 war der Kläger versicherungspflichtig in Deutschland als Waldarbeiter/Holzfäller beschäftigt. Der bosnisch-herzegowinische Versicherungsträger hat für den Kläger Versicherungszeiten von insgesamt 24 Jahren, acht Monaten und acht Tagen, zuletzt vom 23.12.1995 bis zum 06.06.2003, bescheinigt.

Am 03.06.2003 wurde bei einer Begutachtung durch den Dienst für erstinstanzliche Begutachtung des bosnisch-herzegowinischen Versicherungsträgers die erste Invaliditätskategorie infolge Krankheit festgestellt.

Seit dem 07.06.2003 erhält er vom bosnisch-herzegowinischen Versicherungsträger eine Rente wegen Invalidität.

Am 21.08.2003 beantragte der Kläger über den bosnisch-herzegowinischen Versicherungsträger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung durch die Beklagte.

Am 24.09.2003 wurde von den Dres. N. und K. in S. ein Gutachten zum Gesundheitszustand des Klägers angefertigt. Die Gutachter diagnostizierten u.a. eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule mit Radikulopathie im lumbosakralen Bereich und eine ausgeprägte Hypertrophie der Muskulatur des rechten Unterschenkels mit herabhängendem Fuß. Der Kläger sei seit dem 03.06.2003 auf Dauer nur noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter zwei Stunden einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

Zur weiteren Sachaufklärung wurde der Kläger vom Chirurgen Dr. M. am 27.10.2004 in R. begutachtet. Der Gutachter diagnostizierte Wirbelsäulenbeschwerden bei Abnutzungserscheinungen und Bandscheibenschaden im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit Zeichen einer Nervenwurzelschädigung im Bereich des rechten Beines. Das Gangbild des Klägers sei rechtshinkend in Form eines angedeuteten Steppers bei Peronäusparese. Die Beweglichkeit der HWS sei frei, die Beweglichkeit der BWS und LWS mäßiggradig eingeschränkt. Es seien Zeichen einer Nervenwurzelschädigung L5/S1 mit Parese der Unterschenkelmuskulatur mit Großzehen- und Vorfußheber- und -senkerschwäche sowie Gefühlsstörungen am gesamten Unterschenkel und Vorfuß zu finden. Im Bereich der oberen Extremitäten lägen freie funktionelle Verhältnisse sämtlicher Gelenke vor. Im Bereich der unteren Extremitäten sei eine freie Hüft-, Knie- und Sprunggelenksbeweglichkeit gegeben. Die psychische Exploration habe keinen Anhalt für eine krankhafte psychische Entwicklung ergeben. Die Lungenfunktion sei ebenso wie die Herz-/Kreislaufsituation ausgeglichen. Die allgemeine Stoffwechsellage sei störungsfrei, das Blutdruckverhalten regelrecht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten. Es sollte sich um Tätigkeiten handeln, die ohne dauerndes Stehen und Gehen, zu ebener Erde und ohne häufiges Bücken verrichtet würden. Eine Tätigkeit als Busfahrer sei nur noch unter drei Stunden zumutbar.

Mit Bescheid vom 12.11.2004 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Nach den ärztlichen Feststellungen könne er noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 19.01.2005 Widerspruch ein. Es sei lediglich festgestellt worden, dass er mindestens sechs Stunden arbeitstäglich arbeiten könne, nicht aber die üblichen acht Stunden, was allein ausreichend sei, zumindest eine teilweise Erwerbsminderung festzustellen. Auch gebe der Bescheid nicht alle festgestellten Befunde wieder. Mit Bescheid vom 03.06.2003 sei ihm in Bosnien und Herzegowina volle Invalidität bescheinigt worden. Sein Zustand eineinhalb Jahre später könne logischerweise nur noch schlimmer sein. Er sei sein ganzes Arbeitsleben lang Waldarbeiter/Holzfäller gewesen. Diese oder eine artverwandte Tätigkeit sei ihm nicht mehr zumutbar. Im Bescheid sei überhaupt nicht erwähnt worde...

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