Entscheidungsstichwort (Thema)

Besorgnis der Befangenheit eines Richters

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Ablehnungsgesuch des Antragstellers allein mit der Begründung, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vor Rücknahme der Berufung mehrfach mit dem Richter telefoniert habe, ist als unzulässig zu verwerfen. Denn die Begründung dieses Ablehnungsgesuchs ist von vornherein nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit des Richters gegenüber dem Antragsteller zu rechtfertigen und steht deshalb einem fehlenden Ablehnungsgrund gleich.

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende des 18. Senats des Bayerischen Landessozialgerichts - Zweigstelle S -, VRiLSG L, wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Mit Telefax hat die Antragstellerin (= Klägerin und Berufungsklägerin des Verfahrens L 18 SB 85/21 - im Folgenden Antragstellerin) am 04.11.2022 (Schreiben vom 31.10.2022) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter Bezugnahme auf das Verfahren L 18 SB 85/21 Folgendes beantragt:

"Hiermit stelle ich einen schriftlichen Antrag auf Richter/-in-Wechsel in alle und oben angegebene Az.Nr.. Ich möchte nicht bei meinen Rechten benachteiligt werden."

Im zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren L 18 SB 85/21 begehrt die Antragstellerin die Fortführung des Berufungsverfahrens gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg (SG) vom 20.04.2021 und Höherbewertung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit 70. Nach Ziffer 1 des Tenors des Gerichtsbescheids vom 20.04.2021 stellte das SG fest, dass die Klage mit dem Aktenzeichen S 16 SB 383/20 auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) durch Klagerücknahme erledigt ist. In den Entscheidungsgründen führte das SG aus, dass die am 14.12.2020 im Erörterungstermin zur Niederschrift des Gerichts erklärte Rücknahme der Klage den Rechtsstreit S 16 SB 383/20 beendet habe.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 30.04.2021 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) ein (L 18 SB 85/21). Am 20.07.2022 zeigte Rechtsanwalt K (K) unter Vorlage einer Vollmacht die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin an und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Unterzeichnenden. Mit Beschluss vom 08.09.2022 lehnte die Berichterstatterin, die VRiLSG L (VRiLSG L), diesen Antrag ab, weil die Berufung der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die von der Antragstellerin am 14.12.2020 erklärte Klagerücknahme habe das Klageverfahren S 16 SB 383/20 beendet. Am 21.09.2022 nahm K die Berufung zurück (Schreiben vom 21.09.2022).

Am 26.09.2022 (Schreiben vom 23.09.2022) legte die Antragstellerin "Beschwerde" mit dem Begehren ein, die Berufung bezüglich des Aktenzeichens L 18 SB 85/21 fortzuführen, und beantragte Vertagung der für den 23.09.2022 anberaumten Verhandlung, weil sie zu kurzfristig davon Kenntnis erlangt habe. Sie habe erst am 21.09.2022 durch ihren Anruf beim LSG erfahren, dass der Termin am 23.09.2022 um 12.00 Uhr zum oben genannten Aktenzeichen stattfinde. Ein Gespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten K habe seit dem Gerichtsverfahren am 21.07.2022 (Termin zur mündlichen Verhandlung, die vertagt wurde) nicht mehr stattgefunden. K habe ihr auch nicht mitgeteilt, dass ihm die Akte zur Einsicht übersandt worden sei und ihm eine Frist von einem Monat zur Stellungnahme gegeben worden sei. Den Beschluss, mit dem PKH abgelehnt worden sei, habe sie mit weiteren von K am 24.09.2022 erhalten. Der Termin zur mündlichen Verhandlung sei ihr auch nicht bekanntgegeben worden. Sie habe selber einfach am 21.09.2022 beim LSG - Zweigstelle S - um 14.34 Uhr angerufen, ob ein Verhandlungstermin schon bestimmt sei; zu diesem Zeitpunkt habe sie das erste Mal seit Juli 2022 mit Frau P (P) gesprochen, die ihr am Telefon die Auskunft gegeben habe, dass am 23.09.2022 um 12.00 Uhr der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt sei. Sie habe nochmals mit P telefoniert, die ihr gesagt habe, dass K die Berufung um 11.42 Uhr zurückgenommen habe. Es gebe keine Verhandlung. Sie sei davon nicht in Kenntnis gesetzt worden und nicht einverstanden. Sie habe P gesagt, dass sie jetzt zu ihrer Verhandlung komme. P habe gesagt, es gebe keine mündliche Verhandlung, weil die Berufung vom Anwalt zurückgenommen worden sei. Dies sei ohne ihr Wissen und ohne Absprache mit K geschehen. Das sei Korruption. Am 23.09.2022 gegen 15.00 Uhr sei sie zu K gegangen und habe ihn aufgefordert, die Klagerücknahme zu widerrufen. Die Sekretärin in der Anwaltskanzlei, die Ehefrau des K, habe ihr erzählt, dass K mit der Richterin des LSG-SW telefoniert habe und sie das besprochen hätten.

Mit Schreiben vom 26.09.2022, beim LSG am 27.09.2022 eingegangen, beantragte die Antragstellerin, das Berufungsverfahren fortzusetzen, ferner die Feststellung der Merkzeichen "B" und "G". Laut Telefonvermerk vom 06.10.2022 beantragte die Antragstellerin weiterhin die Gew...

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