Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines ärztlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit. Beurteilung des konkreten Einzelfalls. Einzelfallentscheidung. Rüge eines fachlichen Mangels. keine Prüfung im Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit bzw Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu rechtfertigen.

2. Die Frage einer Besorgnis der Befangenheit ist grundsätzlich ausschließlich anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen.

3. Wird einem Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen durch Beschluss eines Gerichts stattgegeben, so bezieht sich dieser Beschluss grundsätzlich ausschließlich auf die Umstände dieses konkreten Einzelfalles.

4. Im vorliegenden Verfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte, die bei objektiver und vernünftiger Betrachtung eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründen können.

 

Orientierungssatz

Die Frage, ob im Gutachten genannte Tatsachen zutreffen oder vollständig sind und ob der Sachverständige zutreffende Schlussfolgerungen gezogen hat, betrifft die inhaltliche Bewertung des Gutachtens. Die Prüfung kann nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden (vgl LSG München vom 17.1.2014 - L 2 SF 249/13 AB und vom 24.9.2013 - L 2 SF 98/13 B) und erst recht nicht vor Erstellung des Gutachtens erfolgen.

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. A. wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Kläger, Berufungskläger und hiesige Antragsteller (nachfolgend: Antragsteller) macht im Berufungsverfahren L 3 U 207/16 die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. A. geltend. Das Ablehnungsgesuch wurde unter dem Aktenzeichen L 3 SF 160/18 AB eingetragen.

Im Berufungsverfahren begehrt der Antragsteller von der dortigen Beklagten und Berufungsbeklagten die Anerkennung von Erkrankungen insbesondere im Bereich des rechten Schultergelenkes als Folgen eines Arbeitsunfalles vom 6. Oktober 2008 bzw. eines weiteren Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2011 sowie die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der Unfallfolgen. Die zunächst getrennt betriebenen Verfahren wurden vom Sozialgericht (SG) Augsburg mit Beschluss vom 12. November 2014 unter dem Aktenzeichen S 4 U 53/14 verbunden. Anschließend holte das Sozialgericht ein chirurgisches Gutachten des Dr. L. vom 2. November 2014 sowie - auf Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - das weitere Gutachten des Dr. K. (Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Schmerzmedizin) datierend vom 31. Mai 2015 und vom 30. September 2015 ein. Mit Urteil vom 28. April 2016 wies das SG Augsburg die Klage ab.

Gegen das ihr am 9. Mai 2016 zugestellte Urteil hat die damalige Bevollmächtigte des Antragstellers am 9. Juni 2016 Berufung eingelegt.

Mit zwei separaten Beweisanordnungen vom 5. Januar 2018 hat der Senat den Facharzt für Orthopädie Dr. A. zum Sachverständigen ernannt. Die Beteiligten erhielten zugleich einen Abdruck der Gutachtenaufträge zur Kenntnis; der Zeitpunkt des Zugangs bei den Beteiligten ist nicht bekannt.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2018, beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am selben Tag per Fax eingegangen, hat die damalige Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber dem Sachverständigen die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht. Zur Begründung wurde auf Vorgänge aus anderen Verfahren (insbesondere LSG - L 3 U 165/14 - sowie SG Regensburg - S 5 U 82/10, S 5 U 109/11 und S 5 U 171/17 -) verwiesen. Außerdem sei der Sachverständige beim Krankenhaus B. in B-Stadt tätig. Dieses hätte auch eine BG-Ambulanz, in der der Sachverständige tätig sei. Schließlich bestehe die Besorgnis der Befangenheit, da nicht auszuschließen sei, dass der Gutachter als "Deutscher Skiverbandsarzt" als M-Arzt (sowie D-Arzt bloß im Sportbereich) für die beklagte Berufsgenossenschaft tätig sei. Zu diesem Ablehnungsgesuch wurden mit Schreiben vom 7. Februar 2018, beim LSG am selben Tag per Fax eingegangen, weitere Unterlagen (u.a. ein vom Antragsteller persönlich verfasstes Schreiben vom 7. Februar 2018 sowie Unterlagen zu den in Bezug genommenen Verfahren vor dem LSG und dem SG Regensburg) übersandt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers sowie des Antragstellers persönlich einschließlich aller Anlagen Bezug genommen.

Die Unterlagen wurden dem Sachverständigen mit gerichtlichem Schreiben vom 8. Februar 2018 zur Stellungnahme übersandt. Zwischenzeitlich hat die Bevollmächtigte mitgeteilt, dass sie den Antragsteller nicht mehr anwaltlich vertrete; dieser vertritt sich seither selbst.

Die Stellungnahme des Dr. A. vom 16. März 2018, die am 4. April 2018 beim LSG eingegangen ist, konnte den Beteiligten zunächst nicht übersandt werden. Denn sie ist der zuständigen Berichterstatterin erst vorgelegt wor...

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