Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme gem. § 109 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beschluss des Sozialgerichts bezüglich der Übernahme der Gutachtenskosten auf die Staatskasse gemäß § 109 SGG bedarf einer Begründung. Vorliegend kann offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen von einem schweren Verfahrensfehler, der eine Zurückverweisung rechtfertigt, auszugehen ist.
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Förderung der Sachaufklärung anzunehmen ist, die eine Kostenübernahme auf die Staatskasse gemäß § 109 SGG rechtfertigt (Fortführung der Rechtsprechung des Senats).
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 31. Oktober 2012 aufgehoben. Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. W. D. vom 07.09.2009 werden auf die Staatskasse übernommen.
II. Der Beschwerdeführerin sind die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten war in der Hauptsache streitig, ob für die Klägerin und jetzige Beschwerdeführerin (im Folgenden: Klägerin) ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festzusetzen ist.
In dem am Sozialgericht München (SG) unter dem Aktenzeichen S 6 SB 68/08 anhängig gewesenen Rechtsstreit der Klägerin gegen den Freistaat Bayern hat am 15.04.2009 der Facharzt Dr. L. ein chirurgisch-orthopädisches Sachverständigengutachten erstellt. Dabei ist er zu dem Ergebnis eines GdB von 30 gekommen. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht sodann vom Facharzt für Orthopädie Dr. D. ein Gutachten eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.09.2009 unter anderem eine wesentliche Veränderung des Bilds der vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und Bewegungssystems seit der vorangegangenen Begutachtung vom 15.04.2009 festgestellt, die man am deutlichsten bei der Untersuchung des rechten Schultergelenks, so der Sachverständige, habe feststellen können. Anders als Dr. L. hat Dr. D. insoweit nicht einen GdB von 10, sondern von 30 angesetzt. Der Gesamt-GdB betrage 50. Weiter hat Dr. D. eine Überprüfung der auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen der Klägerin für erforderlich gehalten. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.09.2009 ist der Beklagte der Einstufung der am rechten Schultergelenk bestehenden Funktionseinschränkung mit einem GdB von 30 gefolgt, da dies vertretbar erscheine.
Auf die mündliche Verhandlung am 24.06.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Im Urteil hat es festgestellt, dass das Gutachten von Dr. D. die Kammer nicht überzeugt habe. Insbesondere hat das SG die Bildung des Gesamt-GdB (von 50) als rechtsfehlerhaft angesehen. In dem sich anschließenden, von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG, Aktenzeichen: L 15 SB 127/10) hat dieses nervenfachärztliche Gutachten von Dr. K. (§ 106 SGG) sowie auf Antrag der Klägerin (§ 109 SGG) von Frau Dr. L. eingeholt. Der Rechtsstreit ist durch den Abschluss eines Vergleichs beendet worden, in dem sich der Beklagte bereit erklärt hat, ab 01.04.2008 einen GdB von 40 festzustellen.
Im Erörterungstermin des LSG am 08.10.2012 hat die Klägerin beantragt, die Kosten für die gemäß § 109 SGG erstellten Gutachten der Staatskasse aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 08.10.2012 hat der Senat angeordnet, die Kosten für das Gutachten von Frau Dr. L. in voller Höhe auf die Staatskasse zu übernehmen. Den Antrag hinsichtlich der Kosten für das Gutachten von Dr. D. hat es zuständigkeitshalber an das SG weitergeleitet. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt worden, dass das Gutachten von Dr. D. neue Erkenntnisse zur Schulterproblematik der Klägerin gebracht habe und Grundlage für das Vergleichsangebot des Beklagten gewesen sei.
Mit angefochtenem Beschluss vom 31.10.2012 hat das SG die Kostenübernahme abgelehnt. Das Gutachten von Dr. D. habe keine neuen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand der Klägerin gebracht. Eine Begründung hierfür hat das SG nicht gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2012 Beschwerde erhoben. Sie hat auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 08.10.2012 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist sowohl zulässig als auch begründet.
Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten von Dr. D. sind vollständig auf die Staatskasse zu übernehmen.
Auf Antrag des behinderten Menschen muss nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann - wie dies im vorliegenden Fall auch erfolgt ist - davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten dafür vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts auch endgültig trägt (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG). Eine "andere Entscheidung" in diesem Sinn hat die Klägerin beantragt.
Die Entscheidung darüber, ob die Kosten eines gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen sind, ist eine Ermessensentscheidung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl...