Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung wegen wortlosem Erscheinen zu einem Meldetermin
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht erforderlich, dass vorhergehende Absenkungsbescheide bei Erlass des strittigen Bescheids wegen einer wiederholten Absenkung bestandskräftig sind.
Wurde über die vorhergehende Absenkung im einstweiligen Rechtsschutz abschlägig entschieden, entfaltet diese Entscheidung Bindungswirkung. Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz enthalten - vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage - eine endgültige Entscheidung über eine vorläufige Regelung.
Ein kurzes wortloses Erscheinen zum Meldetermin ist keine Erfüllung der Meldepflicht nach § 59 SGB II iVm § 309 Abs. 1 S. 2 SGB III.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 19. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 120 vom Hundert der Regelleistung wegen eines wiederholten Meldeversäumnisses strittig.
Der im Jahr 1960 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer bezieht seit Mitte 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit dieser Zeit kam es zu einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren.
Bereits Mitte 2005 brachte der Antragsteller zum Ausdruck, dass er sich für erwerbsunfähig halte. Mehrere Gutachten des ärztlichen Dienstes bestätigten eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit für mittelschwere, später für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten. Insbesondere bestünden keine Folgen der Hautkrebserkrankung aus dem Jahr 1992 mehr (S. 43, 180 Verwaltungsakte). Die Teilnahme an einer psychologischen Begutachtung lehnte er im Sommer 2007 ab (S. 361 VerwA). Die gesetzliche Rentenversicherung lehnt die beantragte Rente wegen Erwerbsminderung ab (S. 177 VerwA). In der erfolglosen erstinstanzlichen Rentenklage lehnte er die Teilnahme an einer nervenärztlichen Begutachtung ab (S. 616 VerwA).
In den Verwaltungsverfahren verweigerte der Antragsteller mehrfach die Unterzeichnung von Eingliederungsvereinbarungen. Soweit Verpflichtungen begründet wurden, insbesondere zum Nachweis von Eigenbemühungen, erfüllte er diese regelmäßig nicht. Dies führte zu mehreren Absenkungen. Die Verwaltungsakten enthalten eine Vielzahl von Beschwerdeschreiben, teils mit beleidigendem Inhalt und Straftatenvorwürfen gegenüber Bediensteten der Antragsgegnerin.
Meldeaufforderungen befolgte der Antragsteller entweder überhaupt nicht, verspätet oder durch Meldung lediglich im Eingangsbereich der Behörde. Die Absenkungen zu diesen Meldeverstößen wurden in verschiedenen Eilverfahren auch im Beschwerdeverfahren aufrecht erhalten. Zuletzt erfolgten eine Absenkung um 90 % der Regelleistung wegen eines Meldeverstoßes (L 8 AS 756/10 B ER, S. 2193 VerwA), eine Absenkung um 100 % wegen eines Meldeverstoßes (L 8 AS 757/10 B ER, S. 2198 VerwA) und eine Absenkung um 110 % (Bescheid vom 08.10.1020, S. 2158 VerwA, Eilverfahren S 10 AS 847/10 ER, S. 2174 VerwA).
Mit Schreiben vom 12.10.2010 lud die Antragsgegnerin den Antragsteller zum 19.10.2010, 8:00 Uhr zu einem Gespräch über die berufliche Situation mit dem zuständigen Fallmanager in die Außenstelle der Antragsgegnerin in ein genau bezeichnetes Zimmer ein. Das Schreiben enthält eine Belehrung zu einer Absenkung von 120 % (S. 2209 VerwA).
Nach einem Aktenvermerk erschien der Antragsteller am 19.10.2010 im Büro des bezeichneten Mitarbeiters, legte das Einladungsschreiben und Anträge zur Übernahme von Stromkosten, Mietschulden und Erstattung von Fahrtkosten wortlos auf den Tisch und verlies das Büro wieder. Auf das Anhörungsschreiben vom 19.10.2010 äußerte sich der Antragsteller nicht.
Mit Bescheid vom 09.11.2010 wurde das Arbeitslosengeld II des Antragstellers für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 28.02.2011 um 120 % der Regelleistung gemindert. Daraus ergebe sich eine Absenkung von monatlich 430,80 Euro. Insoweit würden die bisherigen Bewilligungsbescheide aufgehoben. Der Antragsteller sei der Meldeaufforderung zum 19.10.2010 nicht gefolgt. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 12.11.2010 Widerspruch ein.
Zuletzt bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 16.11.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.12.2010 bis 28.02.2011 unter Berücksichtigung der strittigen Absenkung in Höhe von monatlich 63,20 Euro und von März bis Mai 2011 in Höhe von monatlich 494,- Euro (S. 2229 VerwA). Mit Bescheid gleichen Datums wurden Sachleistungen in Form von Lebensmittelgutscheinen in Höhe von 151,- Euro pro Monat gewährt. Heizkosten für Einzelöfen wurden gesondert gewährt.
Am 15.11.2010 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Seine Grundrechte seien gefährdet. Er sei seiner Meldepflicht zur vorgegebenen Zeit und Ort...