Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Bemessung der Verfahrensgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verfahrensgebühr steht nicht autark im Verhältnis zu anderen in Betracht kommenden Gebühren wie Terminsgebühr oder Einigungsgebühr.
2. Zwar muss verhindert werden, dass bestimmte anwaltliche Aktivitäten eine unangemessene Doppelvergütung erfahren, gleichwohl können im konkreten Fall bestimmte Aspekte der Einigung auch auf die Kriterien zur Bemessung der Verfahrensgebühr "abfärben".
Tenor
Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. Februar 2012 sowie die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Bayreuth vom 17. Oktober 2011 dahin geändert, dass als Verfahrensgebühr 150 EUR anstatt 60 EUR festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.
Der Beschwerdeführer vertrat die damaligen Antragsteller - es handelte sich um eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft - in einem grundsicherungsrechtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (Aktenzeichen S 15 AS 1082/11 ER). Gegenstand des Eilrechtsschutzes war das Begehren der Antragsteller, die Zustimmung der Grundsicherungsbehörde zu einem Umzug der Bedarfsgemeinschaft von A-Stadt nach B-Stadt zu erhalten. Die Antragsteller stellten am 30.08.2011 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst ohne Beteiligung des Beschwerdeführers; auch begründeten sie den Antrag ausführlich selbst. Von Anfang an beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung des Beschwerdeführers. Unter dem Datum 09.09.2011 sandte der Kammervorsitzende den Antragstellern, der Grundsicherungsbehörde, aber auch dem Beschwerdeführer einen von ihm erstellten Vergleichsvorschlag zu; er wies ausdrücklich darauf hin, der Vorschlag ergehe "nach telefonischer Rücksprache". Unter dem gleichen Datum bewilligte er nur einem der beiden Antragsteller PKH und ordnete den Beschwerdeführer insoweit bei; der andere Antragsteller wurde offenbar ausgeklammert, weil für ihn keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden war. Mit Schriftsatz vom 13.09.2011 erklärte der Beschwerdeführer die Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag, kurz darauf auch die Grundsicherungsbehörde.
Sodann veranschlagte der Beschwerdeführer in seinem auf den 27.09.2011 datierten Kostenerstattungsantrag eine Verfahrensgebühr in Höhe von 325 EUR (Nr. 3102 VV RVG, einschließlich Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG), was der Mittelgebühr entsprach. Zudem setzte er eine Einigungsgebühr ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr (190 EUR) an. Unter dem Datum 17.10.2011 setzte der Urkundsbeamte beim Sozialgericht Bayreuth die Einigungsgebühr antragsgemäß, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG jedoch nur in Höhe von 60 EUR fest. Zur Begründung der Höhe der Verfahrensgebühr führte er aus, die Tätigkeit des Beschwerdeführers habe sich in der Entgegennahme des PKH-Beschlusses sowie der Zustimmung zum Vergleichsangebot erschöpft. Eine Erhöhungsgebühr scheide aus, weil nur für einen, nicht aber für beide Antragsteller PKH bewilligt worden sei.
Dagegen hat sich der Beschwerdeführer mit der Erinnerung (Eingang 31.01.2012) gewandt, mit der er die seiner Ansicht nach zu geringe Höhe der Verfahrensgebühr moniert hat. Er hat dies damit begründet, er habe aufgrund zahlreicher Telefonate im Vorfeld des Vergleichsschlusses maßgeblich zum Zustandekommen des Vergleichs beigetragen. Die Erhöhungsgebühr sei aufgrund der Vermutungswirkung des § 38 SGB II angefallen.
Die Erinnerung des Beschwerdeführers hat die Kostenrichterin beim Sozialgericht zurückgewiesen. Sie hat ebenso wie der Urkundsbeamte die Ansicht vertreten, die vergütungsrechtliche Wertigkeit des Falls liege weit unter dem Durchschnitt, und im Zusammenhang damit auf die nur wenigen Aktivitäten des Beschwerdeführers sowie die Kürze des Eilverfahrens verwiesen. Die Versagung der Erhöhungsgebühr hat die Kostenrichterin zum einen damit begründet, es sei schon nicht erwiesen, dass der Beschwerdeführer überhaupt auch den zweiten Antragsteller vertreten habe, zum anderen mit dem Hinweis darauf, diesem sei PKH nicht bewilligt worden.
Am 02.03.2012 hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss der Kostenrichterin Beschwerde eingelegt. Zu deren Begründung hat er lediglich vorgetragen, es habe sich nicht um nur einfachste Tätigkeit gehandelt.
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts S 15 AS 1082/11 ER beigezogen.
II.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheiten gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper; die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus der hier notwendig werdenden gegenständlichen Abgrenzun...