Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtsschutz für einen EU-Ausländer. Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses bei Aufenthalt zur Arbeitsuche
Leitsatz (amtlich)
Es ist auch nach der Entscheidung des EuGH vom 11. November 2014 (C-333/13 - Dano) ungeklärt, ob der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II europarechtskonform ist. Der Leistungsausschluss ist für diejenigen möglich, die den Zweck der Arbeitssuche nicht weiter verfolgen oder die zur Arbeitssuche einreisen und keine Verbindung zum inländischen Arbeitsmarkt haben. Bei Personen, die bereits eine solche Verbindung haben, ist es im einstweiligen Rechtschutz offen anzusehen, ob der Leistungsausschluss greift.
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 9. April 2015 in Ziffer I. und II. abgeändert.
II. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, den Beschwerdeführern Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich 520 € für die Zeit vom 9.März 2015 bis zum 31. Juli 2014 (für März anteilig) vorläufig zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführern zu 1 und zu 2 die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
IV. Den Beschwerdeführern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T. R., B-Straße, A-Stadt beigeordnet. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.03.2015 für die Dauer von sechs Monaten streitig.
Die 1989 und 1995 geborenen Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) sind bulgarische Staatsangehörige. Nach den Angaben des Sozialgerichts reisten der Bf erstmals im Juni 2013 und die Bf erstmals im Juni 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seit Januar 2015 sind sie verheiratet. Die Bf ist schwanger. Voraussichtlicher Entbindungstermin ist der 25.06.2015.
Der Bf war nach den vorliegenden Unterlagen im Juni/Juli 2014 sowie im Monat August und September 2014 als Helfer bzw. Hafenarbeiter tageweise in Deutschland beschäftigt; die Bf war vom 20.03.2014 bis zum 27.07.2014 sowie vom 04.08.2014 bis zum 15.09.2014 in Deutschland erwerbstätig.
Am 04.02.2015 beantragten sie erstmals die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beim Antrags- und Beschwerdegegner (Bg). Dieser lehnte mit Bescheid vom 27.02.2015 den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab, da die Bf ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten würden und daher keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II). Über den eingelegten Widerspruch ist nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Am 09.03.2015 beantragte der Bevollmächtigte der Bf die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beim Sozialgericht Regensburg. Er stellt den Antrag, den Bg im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Bf ab dem 01.03.2015 für die Dauer von sechs Monaten vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Bf seinen hilfebedürftig und hätten bereits bei verschiedenen Arbeitgebern in Deutschland gearbeitet, ohne allerdings bislang eine dauerhaftes Arbeitsverhältnis zu begründen. Sie würden sich weiterhin auf Arbeitsuche befinden. Das Sozialgericht Regensburg lehnte mit Beschluss vom 09.04.2015 den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, da die Bf keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hätten. Sie hätten ein Aufenthaltsrecht allein aufgrund der Arbeitsuche. Ausländer mit einem solchen Aufenthaltsrecht seien nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Leistungsausschluss verstoße nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11.11.2014 (Az.: C 333/13).
Gegen Ziffer I und II dieses Beschlusses haben die Bf durch ihren Bevollmächtigten am 07.05.2015 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Dem Bf sei es inzwischen gelungen, tageweise eine Beschäftigung auszuüben. Im März habe er Einnahmen in Höhe von 307,50 €, im April von 411,50 € und im Mai 2015 von 369,00 € erzielt. Aufgrund der Mietschulden habe der bisherige Vermieter das Mietverhältnis beendet. Die Bf seien derzeit bei den Eltern der Bf untergebracht. Zugleich hat er Prozesskostenhilfe beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf vorgelegt.
Er hat beantragt, die Ziffern I und II des Beschlusses aufzuheben und die von den Antragstellern beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen und der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen.
Der Bg hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und zur Begründung seines Antrags auf die den erstinstanzlichen Beschluss tragenden Gründe verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Bg sowie auf die...