Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eilantrag gegen die Aufforderung zur Beantragung der vorzeitigen Altersrente und gegen die Rentenantragstellung durch Grundsicherungsträger. Anforderungen an die Zurückweisung des Widerspruchs eines Rechtsanwalts wegen Unzulässigkeit bei Nichtvorlage der schriftlichen Vertretungsvollmacht. Nichtanordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Nichtvorliegen einer unbilligen Härte
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Leistungsempfänger nach § 5 Abs 3 S 1, § 12a SGB II erfolglos aufgefordert, einen Antrag auf eine vorzeitige Altersrente zu stellen, und stellt dann ersatzweise das Jobcenter den Rentenantrag, ist einstweiliger Rechtsschutz in einem zweistufigen Verfahren zu prüfen: Zunächst ist bezüglich der Aufforderung zu prüfen, ob die aufschiebende Wirkung gemäß § 86b Abs 1 S 1 Nr 1 SGG anzuordnen ist. Der Ersatzantrag des Jobcenters ist entweder als Vollzugshandlung nach § 86b Abs 1 S 2 SGG zu betrachten oder es ist eine Sicherungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 1 SGG statthaft.
2. Wenn eine Behörde nach einem fristgemäßen Widerspruch eines Rechtsanwalts gemäß § 13 Abs 1 S 3 SGB X den schriftlichen Nachweis der Vollmacht verlangt, darf sie den Widerspruch mangels Nachweis nur dann als unzulässig zurückweisen, wenn sie hierfür eine Frist gesetzt hat und auf die drohende Verwerfung als unzulässig hingewiesen hat.
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen einer unbilligen Härte gem § 5 UnbilligkeitsV bei geplanter Aufnahme einer auf drei Monate befristeten Beschäftigung.
Normenkette
SGB II § 5 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, §§ 12a, 7 Abs. 4 S. 1, § 39 Nr. 3; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2 Sätze 1-2, § 86a Abs. 2 Nr. 4, § 73 Abs. 6 S. 5; SGB X § 13 Abs. 1 S. 3; UnbilligkeitsV § 5; SGB XII § 21 S. 1; SGB VI § 99
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 4. März 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich im Eilverfahren gegen die Aufforderung, bei der gesetzlichen Rentenversicherung einen Antrag auf eine vorzeitige Altersrente zu stellen. Im Ergebnis möchte er die Bewilligung einer herabgesetzten vorzeitigen Altersrente vermeiden.
Der im Dezember 1952 geborene Antragsteller beantragte erstmals Ende 2010 zusammen mit seiner 1975 geborenen Ehefrau und dem 2009 geborenen Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II vom Antragsgegner. Er ist drei weiteren von ihm getrennt lebenden Kindern unterhaltspflichtig. Der Erstantrag wurde wegen bedarfsdeckendem Einkommen (Arbeitslosengeld nach SGB III, Kindergeld) abgelehnt.
Nach einem erneuten Antrag wurden ab Januar 2012 Leistungen gewährt. Bei der Leistungsberechnung wurde zeitweise Arbeitslosengeld nach SGB III und zeitweise Erwerbseinkommen des Antragstellers angerechnet. Im Juli 2012 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Die Mietwohnung kostet monatlich 570,- Euro Grundmiete und 160,- Euro Betriebskostenvorauszahlung.
Der Antragsteller war von Januar bis Mitte Oktober 2012 erwerbstätig zu einem Bruttolohn von 2.000,- Euro monatlich. Von Mai 2013 bis Dezember 2013 war der Antragsteller erneut erwerbstätig mit einem Bruttolohn von 1.300,- Euro. Ein Antrag auf Übernahme von Umzugskosten nach S-Stadt wegen einer zum 01.05.2014 geplanten Arbeitsaufnahme wurde abgelehnt, weil keine konkrete neue Wohnung samt Miete bezeichnet wurde und die Arbeitsaufnahme nicht konkretisiert wurde.
Nach Aufforderung legte der Antragsteller im April 2014 eine Rentenauskunft vom 20.03.2014 vor. Danach sei die Regelaltersrente ab 01.07.2018 ohne Rentenabschlag möglich bei einer Rente von monatlich 775,96 Euro zu den bisher gespeicherten Rentenzeiten bzw. monatlich 894,26 Euro bei weiteren Beitragsleistungen im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahre. Ein Rentenbeginn sei ab 01.01.2016 möglich mit einem Rentenabschlag von 9 %. Laut Versicherungsverlauf war der Antragsteller von August 2003 bis Ende 2011 (101 Monate) 40,5 Monate versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 08.05.2014 beantragte der Antragsteller die Übernahme der Kosten eines Umzugs nach F-Stadt durch eine Spedition wegen körperlicher Gebrechen. Hierbei legte er einen Arbeitsvertrag für eine Stelle als Gehilfe für "sämtliche im Bereich eines Hausmeisters stehende Arbeiten" vor mit 10,50 Euro Stundenlohn bei einer 40 Stundenwoche. Als Arbeitsbeginn war der 15.06.2014 vorgesehen. Speditionskosten wurden ihm grundsätzlich in Aussicht gestellt. Für die Besichtigung dreier Wohnungen erhielt der Antragsteller Fahrkosten. Dem Arbeitgeber wurde ein Eingliederungszuschuss gewährt. Für eine weitere Wohnungsbesichtigung wurden ebenfalls Fahrkosten übernommen. Der Antragsteller nahm die Arbeit als Hausmeistergehilfe ab August 2014 auf, wurde jedoch zum 28.10.2014 gekündigt.
Von 18.01.2015 bis 21.03.2015 fand der Antragsteller eine befristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei einer ...