Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Erstattung der außergerichtlichen Kosten durch die Gegenseite. Wahlanwaltsvergütung. Sozialgerichtliches Verfahren. Höhe des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse. Zahlungen des erstattungspflichtigen Prozessgegners
Leitsatz (amtlich)
Die Vergütung, die die Staatskasse dem beigeordneten Rechtsanwalt schuldet, darf nicht von vornherein auf den Restbetrag reduziert werden, der neben den Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners noch offen erscheint eine solche Vorabkürzung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners sind vielmehr allein nach §§ 58 und 59 RVG abzuwickeln.
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1 S. 1; RVG § 58 Abs. 2, § 59 Abs. 1; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3, §§ 123, 126 Abs. 1
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Oktober 2012 aufgehoben. Die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Augsburg vom 12. Mai 2011 wird dahin abgeändert, dass die Vergütung gemäß dem Antrag des Beschwerdeführers vom 24. Februar 2011 festgesetzt wird. Der Beschwerdeführer erhält weitere 214,20 EUR.
Gründe
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.
Der Beschwerdeführer vertrat den damaligen Kläger in einem arbeitsförderungsrechtlichen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (S 7 AL 105/09), wobei er diesem im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordnet worden war. Das Verfahren endete in der mündlichen Verhandlung am 22.12.2010 durch Prozessvergleich. Dabei wurde vereinbart, dass die beklagte Bundesagentur für Arbeit die notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte trägt. Am 03.02.2011 zahlte die Bundesagentur für Arbeit in Ausführung der Kostenregelung des Prozessvergleichs 526,22 EUR an den Beschwerdeführer; das entsprach dem Betrag, den dieser als zu erstattende außergerichtliche Kosten veranschlagt hatte.
Unter dem Datum 24.02.2011 beantragte der Beschwerdeführer, die Vergütung nach §§ 45 ff. RVG auf insgesamt 766,84 EUR festzusetzen. Von den 526,22 EUR, die seitens der Bundesagentur für Arbeit erstattet worden waren, "setzte" er 169,22 EUR für die Vergütung nach §§ 45 ff. RVG ein, indem er diesen Betrag von 766,84 EUR subtrahierte. Die verbleibende Differenz von 597,62 EUR wollte er vom Freistaat Bayern geleistet erhalten.
Die Urkundsbeamtin beim Sozialgericht Augsburg schloss sich in ihrer Kostenfestsetzung vom 12.05.2011 dem Antrag des Beschwerdeführers insofern an, als sie sämtliche von diesem veranschlagten Vergütungskomponenten - und zwar auch in der veranschlagten Höhe - berücksichtigte. Die Anrechnung der Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit nahm sie jedoch anders vor, als es der Beschwerdeführer getan hatte: Wegen der im Prozessvergleich getroffenen Kostenregelung sprach sie nur die Hälfte der errechneten 766,84 EUR zu, also 383,42 EUR. Die am 20.05.2011 eingelegte Erinnerung, mit der die Vergütungsfestsetzung so wie ursprünglich beantragt begehrt worden ist, hat die Kostenrichterin beim Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 15.10.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 26.10.2012 eingelegte Beschwerde.
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts S 7 AL 105/09 beigezogen.
II.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).
Die zulässige Beschwerde ist in vollem Umfang begründet. Der Beschwerdeführer hat nicht nur im Ergebnis Recht; auch der von ihm vorgetragenen Begründung schließt sich der Senat an.
Die Anrechnungstechnik des Sozialgerichts mag bei undifferenzierter Betrachtung "vernünftig" erscheinen. Mit der Gesetzeslage stimmt sie nicht überein. Falsch ist schon der gedankliche Ausgangspunkt, Leistungen der PKH würden nur insoweit erbracht, als die Erstattung der außergerichtlichen Kosten durch die Gegenseite Deckungslücken hinterlässt. Damit wird die Subsidiarität der PKH fehlinterpretiert. Zwar besteht in der Tat eine Subsidiarität der PKH, die im weitesten Sinn Sozialhilfeleistung ist. Diese wird aber im Rahmen der Prüfung, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind, berücksichtigt. Für eine Manifestation der Subsidiarität im Leistungsrecht, so wie es das Sozialgericht praktiziert hat, fehlt jede rechtliche Grundlage.
Wie der Senat im Beschluss vom 08.05.2013 - L 15 SF 104/12 B ausgeführt hat, ist das Leistungsrecht im Bereich der PKH weitgehend gesetzlich vorprogrammiert; die Leistungen werden in § 122 ZPO (alle im Folgenden genannten ZPO-Vorschriften sind über § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG anwendbar) und §§ 45 ff. RVG ...