Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. unterstellte dauerhafte volle Erwerbsminderung bei Personen im Eingangs- bzw Berufsbildungsbereich einer WfbM
Leitsatz (amtlich)
Nach der Neufassung des § 45 S 3 Nr 3 SGB XII gelten Menschen mit Behinderung im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer WfbM regelmäßig als dauerhaft voll erwerbsgemindert, ohne dass eine gutachterliche Feststellung zu erfolgen hat.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl SG Augsburg vom 16.2.2018 - S 8 SO 143/17 = juris RdNr 23 sowie LSG Darmstadt vom 28.6.2018 - L 4 SO 83/18 B ER = juris RdNr 21ff.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die 1997 geborene Klägerin ist wegen eines Down-Syndroms und eines angeborenen Herzfehlers schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100; ihr sind ferner die Merkzeichen G, aG, H und B zuerkannt. Sie steht unter Betreuung ihres Vaters. Seit dem 04.09.2017 erhält sie von der Agentur für Arbeit A-Stadt ein monatliches Ausbildungsgeld (in Höhe von 67,- € für die Zeit vom 04.09.2017 bis 03.09.2018 sowie 80,- € für die Zeit vom 04.09.2018 bis 03.12.2019), weil sie an einer beruflichen Rehabilitation im Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) teilnimmt. Vor dem Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs der WfbM wurde noch keine Feststellung über das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung getroffen.
Am 28.09.2017 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.
Mit Bescheid vom 25.10.2017 (Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 23.02.2018) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zum jetzigen Zeitpunkt sei eine dauerhafte volle Erwerbsunfähigkeit von dem Träger der Rentenversicherung nicht bindend festgestellt, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII noch nicht gegeben seien. Ab 04.09.2017 besuche die Klägerin den Eingangs- und Ausbildungsbereich der Werkstatt Lebenshilfe A-Stadt. Während dieser Zeit solle gemäß § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII ein Ersuchen zur Feststellung der dauerhaften Erwerbsunfähigkeit gemäß § 109a Abs. 2 SGB VI beim Träger der Rentenversicherung unterbleiben, da gerade erst nach Durchlaufen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs festgestellt werden solle, ob eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit unabhängig von der Arbeitsmarktlage vorliege. Gerade in dieser Zeit solle sich die Klägerin qualifizieren. Es sei daher momentan wenig zielführend, bereits jetzt über den Träger der Rentenversicherung ein Feststellungsverfahren über die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit zu betreiben. Das Durchlaufen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs diene der Feststellung, ob die betroffene Person auf Dauer wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne, so dass erst nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs der Fachausschuss der WfbM entscheide, ob eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliege. Folglich sei bei Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich keine gutachterliche Feststellung erforderlich, ob sie erwerbsfähig seien. Aus den Vorschriften des Werkstattrechts ergebe sich, dass im Eingangs- und Berufsbildungsbereich ergebnisoffen geprüft werden solle, ob vorrangig eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder eine Beschäftigung im Arbeitsbereich der WfbM oder eine andere Maßnahme zur Eingliederung angezeigt sei. Zwar habe der sozialmedizinische Dienst der Agentur für Arbeit A-Stadt in seinem Gutachten vom 10.08.2017 festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer erheblich eingeschränkten psycho-physischen Leistungsfähigkeit voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sei, täglich mehr als drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Die den Sozialhilfeträger bindende Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung treffe aber der Rentenversicherungsträger. Ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes der Agentur für Arbeit sei hierfür nicht ausreichend (§ 45 SGB XII).
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes von Dr. med. B. sowie durch Beiziehung der Krankenunterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern und der Agentur für Arbeit A-Stadt.
Mit Urteil vom 22. Februar 2019 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2018 verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab 01.09....