Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Gewährung rechtlichen Gehörs. Anforderung an die Begründung einer Anhörungsrüge. Zulässigkeit neuen Sachvortrags im Rahmen einer Anhörungsrüge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist.

2. Die Erfüllung des Darlegungserfordernisses ist wegen § 4 a Abs. 4 Satz 2 JVEG Zulässigkeitsvoraussetzung.

3. Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten dürfen die Anforderungen an das Darlegungserfordernis nicht überspannt werden; gewisse Mindestanforderungen müssen aber erfüllt werden.

4. Ein neuer Sachvortrag im Rahmen der Anhörungsrüge ist im Verfahren der Anhörungsrüge unbeachtlich, da er keine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen kann.

 

Tenor

I. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 18. Februar 2016, Az.: L 15 SF 208/15, wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Mit 19-seitigem Beschluss vom 18.02.2016, Az.: L 15 SF 208/15, der Beschwerdeführerin am 27.02.2016 zugestellt, änderte der Senat den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Regensburg vom 10.12.2014 dahingehend ab, dass die Entschädigung der Beschwerdeführerin nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) für ihr Erscheinen beim Gerichtstermin am 26.02.2014 auf 123,95 € festgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

Mit einem am 06.04.2016 beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingegangenen und zum Aktenzeichen L 15 SF 208/15 verfassten Schreiben hat die Beschwerdeführerin die "Berichtigung" des "20 Seiten Schriebs" verlangt, der weitaus mehr gekostet habe als die von ihr geforderte Entschädigung. Die Fahrtstrecke von A-Stadt nach Regensburg betrage 80 km einfache Fahrt; schließlich habe sie auch wieder nach Hause fahren müssen. Wegen einer Straßensperrung habe sie einen großen Umweg fahren müssen. Die Öffnungszeiten in ihrem Geschäft seien von 8.00 bis 18.00 Uhr. Also müsse sie in dieser Zeit auch anwesend sein. Darum sei die Aushilfe dringend notwendig gewesen; die Abwesenheitszeit sei zu erstatten. Sie könne es sich nicht leisten, einfach nicht anwesend zu sein und die Kunden vor der Tür stehen zu lassen. Wegen ihrer Abwesenheit habe sie eine Fremdbetreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen und diese auch bezahlen müssen. Sie koche täglich für ihre Familie mittags warm; daher stehe ihr auch am Tag des Gerichtstermins eine warme Mahlzeit zu. Laut ihrem Anwalt sei eine Berichtigung zulässig.

II.

Die Anhörungsrüge ist gemäß § 4 a Abs. 4 Satz 2 JVEG als unzulässig zu verwerfen.

1. Auslegung des am 06.04.2016 beim Bayer. LSG eingegangenen Schreibens der Beschwerdeführerin

Das am 06.04.2016 eingegangene Schreiben ist, wie seine Auslegung ergibt, als Anhörungsrüge zu dem in Sachen der Beschwerdeführerin ergangenen Beschluss vom 18.02.2016, Az.: L 15 SF 208/15, zu sehen.

Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).

Bei Beachtung dieser Vorgaben ergibt die Auslegung Folgendes:

Das am 06.04.2016 eingegangene Schreiben ist als Anhörungsrüge gemäß § 4 a JVEG zum Beschluss vom 18.02.2016, Az.: L 15 SF 208/15, zu betrachten. Damit wird dem Begehren der Beschwerdeführerin nach "Berichtigung" am Ehesten Rechnung getragen und dem potentiellen Vorwurf entgegengewirkt, der Beschwerdeführerin würde eine statthafte Möglichkeit des Rechtsschutzes abgeschnitten. Eine andere Möglichkeit zur erneuten inhaltlichen Prüfung des Beschwerdebegehrens ist infolge der Unanfechtbarkeit des Beschlusses vom 18.02.2016 nicht eröffnet.

2. Zur Prüfung der Anhörungsrüge

Die Anhörungsrüge ist gemäß § 4 a Abs. 4 Satz 2 JVEG als unzulässig zu verwerfen, da die Beschwerdeführerin jedenfalls dem Darlegungserfordernis des § 4 a Abs. 2 Satz 5 JVEG nicht gerecht geworden ist.

2.1. Für die Anhörungsrüge vorgetragene Gründe der Beschwerdeführerin

Dem am 06.04.2016 beim LSG eingegangenen Schreiben der Beschwerdeführerin sind folgende Gründe für die Anhörungsrüge zu entnehmen:

* Der Entschädigung sei eine gerichtsterminsbedingte Abwesenheitsdauer von 10 Stunden zu Grunde zulegen, da ihr Geschäft von 8.00 bis 18.00 Uh...

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