Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung: Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung eines Sozialgerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Beschwerden gegen die Streitwertfestsetzung eines Sozialgerichts gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG ist eine Entscheidung über die Abhilfe weiterhin vorgeschrieben.
2. Die Festsetzung des Auffangstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG ist nur vorgesehen, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Festsetzung des Streitwerts bietet. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der gesamte Sach- und Streitstand - nicht nur der Wortlaut des Klageschriftsatzes - in das nach § 52 Abs. 1 GKG auszuübende Ermessen einzubeziehen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 27.05.2019 abgeändert. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 190.958,86 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
In dem zu Grunde liegenden Klageverfahren S 14 KR 537/18 beim Sozialgericht Regensburg (SG) hat die Klägerin und Beschwerdeführerin beantragt,
1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Vorsteuerabzug (Umsatzsteuer auf den tatsächlich vereinbarten Einkaufspreis der Beklagten für die in ambulant abgegebenen Rezepturen verwendeten Fertigarzneimittel) für Rezepturen mit den Sonder-PZN ..., die mit der Klägerin in den Jahren 2009 bis 2016 abgerechnet wurden, gesondert, bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr, zu benennen.
2. Die Beklagte wird zudem verpflichtet, die nach Nennung der Vorsteuer bezifferbare Summe an zu viel bezahlter Umsatzsteuer ... an die Klägerin zu erstatten, nebst Zinsen daraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung. Die von der Beklagten zu erstattende Summe wegen überzahlter Umsatzsteuer berechnet sich wie folgt:
Für das Jahr 2009 den Gesamtbetrag der von der Klägerin bezahlten Umsatzsteuer in Höhe vom 186.392,19 Euro abzüglich der nach Klageantrag zu 1. von der Beklagten für dieses Jahr zu benennenden Vorsteuersumme.
(Es folgen entsprechende Angaben für die Jahren 2010 bis 2016; es ergibt sich, dass die Klägerin nach eigener Darstellung in den Jahren 2009 bis 2016 insgesamt Umsatzsteuer in Höhe von 855.792,49 bezahlt hatte.)
Mit Schreiben vom 20.05.2019 hat die Klägerin mitgeteilt, man habe sich außergerichtlich geeinigt. Die Beteiligten hätten vereinbart, dass jede Seite die außergerichtlichen Kosten selbst trage; die Gerichtskosten trage die Klägerin. Es werde gebeten, den Streitwert festzusetzen. Hierzu dürften die Umsatzsteuerumsätze der einzelnen Jahre nicht einfach addiert werden, da diese Summe nicht das Klageinteresse wiedergebe. Entweder werde die Beklagte aufgefordert, die Vorsteuer für die betreffenden Jahre zu benennen, oder es sollte der Regelstreitwert festgesetzt werden. Die Vergleichssumme unterliege der Geheimhaltung, sofern nicht die Beklagte mit einer Offenlegung einverstanden sei.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 03.06.2019 ebenfalls um Festsetzung des Streitwerts gebeten und erklärt, die Höhe des Vergleichsbetrages habe keinerlei Auswirkungen auf die Höhe des Streitwertes.
Mit Beschluss vom 27.05.2019 hat das SG den Streitwert auf 855.792,49 Euro festgesetzt.
Am 04.11.2019 hat die Klägerin beim SG Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Sie habe nicht die Rückerstattung der gesamten Umsatzsteuer beantragt, sondern nur die eines bereinigten Anteils. Nur, weil die Benennung der Vorsteuer für die Beklagte aufwendig sei, dürfe nicht der Streitwert ohne Berücksichtigung des klägerischen Vortrags festgesetzt werden. In Parallelfällen sei zum Teil auch der erzielte Vergleichsbetrag als Streitwert festgesetzt worden. Teilweise hätten Sozialgerichte den Auffangstreitwert festgesetzt. Die Beschwerde wurde dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) vorgelegt.
Die Klägerin wurde zunächst auf die Rechtsprechung des 5. Senats des Bayer. LSG zur Höhe des Streitwerts bei einer als Stufenklage erhobenen Auskunfts- und Zahlungsklage hingewiesen (Urteil vom 05.12.2017, L 5 KR 508/17, Rn. 47-48; ausdrücklich ebenso der 4. Senat des Bayer. LSG, Beschluss vom 27.02.2018, L 4 KR 583/17 B).
Die Klägerin hat entgegnet, diese Rechtsprechung sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil keine bezifferte Leistungsklage im Rahmen einer Stufenklage erhoben worden sei. Man habe nicht 855.792,49 Euro eingeklagt; vielmehr sei dieser Betrag um die Vorsteuer zu mindern. Über die entsprechende Information verfüge nicht die Klägerin, sondern nur die Beklagte.
Weiter hat die Klägerin auf das erledigte Verfahren L 5 KR 542/19 B hingewiesen. Dort hatte eine ähnliche Konstellation wie im vorliegenden Verfahren zu Grunde gelegen. Das SG hatte den Auffangstreitwert festgesetzt; der Bezirksrevisor hatte Beschwerde eingelegt. Hier hatte der 5. Senat einen richterlichen Hinweis erteilt, wonach der tatsächliche Streitwert nicht ermittelt werden könne, so dass auf den Auffangstreitwert zurückgegriffen werden müsse. Daraufhin hatte der Bezirksrevisor seine Beschwerde z...