Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes. Anrechnung einer tatsächlich nicht bezogenen Rente aus Rumänien

 

Leitsatz (amtlich)

Einstweiliger Rechtsschutz nach § 86 b Abs 2 SGG bei Rechtsstreit über die Anrechnung einer fiktiven Rente aus Rumänien erfordert glaubhafte Darlegung des nicht zu beseitigenden Nachteiles durch die Antragstellerin

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 02.12.2008 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ob auf die der Antragstellerin (ASt) bewilligte Rente eine fiktive rumänische Rente anzurechnen ist.

Die ASt ist deutsche Staatsangehörige und hat auch rumänische Versicherungszeiten zurückgelegt, aus denen sich ein Anspruch auf eine rumänische Rente in Höhe von 18,15 EUR ergeben würde.

Am 28.05.2008 beantragte sie eine Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60.Lebensjahres ab 01.08.2008 und "die Aufschiebung des Leistungsbeginns mit Rumänien gemäß Art. 44 VO (EWG) 1408/71".

Mit Bescheid vom 18.08.2008 (Mitteilung über vorläufige Leistung) in der Gestalt des am 09.10.2008 abgesandten Widerspruchsbescheides bewilligte die Ag die Altersrente ab 01.08.2008 in Höhe von 918,84 EUR brutto abzügl. der - fiktiven - Rente aus Rumänien in Höhe von 18,15 EUR; die Netto-Rente betrug 812,87 EUR monatlich. Nach Art. 2 und 31 Fremdrentengesetz (FRG) ruhe der Anspruch auf deutsche Rente in Höhe eines bestehenden Anspruches auf eine rumänische Rente. Dagegen hat die ASt Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Bereits am 03.09.2008 hat die ASt beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend begehrt, ihr die bewilligte Rente ohne Abzug einer nicht gezahlten, hypothetischen Rente aus Rumänien bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu zahlen. Für die Anrechnung einer tatsächlich nicht gezahlten Rente aus Rumänien fehle eine Rechtsgrundlage. Etwaige Rentenansprüche würden an die Antragsgegnerin (Ag) abgetreten werden. Die Kürzung stelle bei der geringen Rente der ASt eine Existenzgefährdung dar.

Die Ag hat vorgetragen, unabhängig vom Fehlen eines Anordnungsanspruches würde auch Ausführungen zum Anordnungsgrund fehlen.

Mit Beschluss vom 02.12.2008 hat das SG die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab 01.08.2008 für die Dauer des Klageverfahrens Altersrente ohne Abzug einer fiktiven rumänischen Rente zu gewähren. Aufgrund einer summarischen Prüfung bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Eine Rechtsgrundlage für die Anrechnung sei nicht erkennbar. Entsprechende Entscheidungen verschiedener Sozialgerichte und auch des Bayer. Landessozialgerichts (Beschluss vom 02.07.2008 - L 14 B 469/08 R ER -) lägen vor. Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Die ASt müsse ihren gesamten Lebensunterhalt von der Netto-Rente in Höhe von 812,87 EUR bestreiten, der abgezogene Betrag in Höhe von 18,15 EUR sei daher nicht unerheblich. Dass eine Rückzahlung überzahlter Leistungen ggf. durch die ASt im Falle eines Obsiegens der Ag in der Hauptsache nicht erfolgen könne, habe die Ag nicht vorgetragen.

Dagegen hat die Ag Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Netto-Rente der ASt liege über dem Durchschnitt der Altersrente für Frauen (703,00 EUR in 2006). Einen Anordnungsgrund habe die ASt nicht dargelegt. Auch sei aufgrund der Rechtsprechung verschiedener Landessozialgerichte die Frage der Rechtmäßigkeit der fiktiven Anrechnung zunächst als offen anzusehen (LSG NRW, Beschluss vom 19.01.2009 - L 14 B 22/08 R ER -, Beschluss vom 15.12.2008 - L 18 B 22/08 R ER -; BayLSG, Beschluss vom 23.12.2008 - L 1 B 802/08 R ER -).

Zur Ergänzung wird auf die beigezogene Akte der Beklagten, die Akte des SG Nürnberg S 12 R 4460/08 und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar. § 86b Abs 1 SGG kommt hingegen als Rechtsgrundlage nicht in Betracht, denn die zutreffende Klageart ist vorliegend nicht lediglich eine Anfechtungsklage, sondern eine Anfechtungs- und Leistungsklage.

Gemäß § 86b Abs 2 SGG ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entsch...

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