Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes. Anrechnung einer tatsächlich nicht bezogenen Rente aus Rumänien

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs 2 SGG bei Anrechnung einer fiktiven Rente aus Rumänien (§ 31 FRG) stellt bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes.

 

Orientierungssatz

Bei der hier maßgeblichen Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 S 2 SGG ist der Anordnungsgrund die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Entscheidend ist, ob es bei einer Interessenabwägung nach den Umständen des Einzelfalls für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 30.10.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung der bewilligten Altersrente für Frauen ohne Abzug einer fiktiv berechneten rumänischen Rente.

Die 1944 geborene Bf. ist seit 04.01.1995 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Inhaberin eines Vertriebenenausweises A. In Rumänien hat sie rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt.

Sie beantragte mit Schreiben vom 13.05.2008 die Gewährung einer Altersrente für Frauen ab 01.09.2008. Am 24.06.2008 teilte sie nach Aufforderung durch die Beschwerdegegnerin (Bg.) mit, dass sie gemäß Art. 44 der Verordnung Nr. 1408/71 EWG auf die Antragsgleichstellung verzichte. Mit Schreiben vom 21.06.2008 wies die Bg. darauf hin, dass sie beabsichtige, die der Beschwerdeführerin aus Rumänien zustehende Rente in ihrer voraussichtlichen Höhe anzurechnen. Dies führe dazu, dass die deutsche Rente ab 01.09.2008 um monatlich 49,82 EUR gemindert werde. Der Anrechnungsbetrag sei auf der Basis eines rumänischen Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten Durchschnittsverdieners nach Art. 107 der Verordnung Nr. 574/72 EWG ermittelt worden.

Mit Bescheid vom 23.07.2008 (Mitteilung über die vorläufige Leistung) gewährte die Bg. der Bf. ab 01.09.2008 Altersrente für Frauen in Höhe von monatlich 247,76 EUR. Diesem Zahlbetrag lag eine Bruttorente von 275,59 EUR zugrunde. Die Rente sei eine vorläufige Leistung im Sinne des Art. 45 der Verordnung Nr. 574/72 EWG. Die Höhe dieser Leistung sei von der Bindungswirkung des Bescheides ausgenommen und könne daher nicht angefochten werden. Die Rente ruhe in Höhe des Bruttobetrags der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung. Die monatliche ausländische Leistung sei in dem Verhältnis bei der Rente aus der deutschen Rentenversicherung anzurechnen, in dem die Monate, die bei beiden Leistungen zu berücksichtigen seien, zu allen bei der ausländischen Leistung berücksichtigten Monate stünden, also im Verhältnis 150:150. Die Rente von 325,41 EUR sei daher um den zu berücksichtigenden Betrag von 49,82 EUR zu mindern und betrage 275,59 EUR.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2008 zurück. Die Zulässigkeit der Minderung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berechneten Rente um die voraussichtlich zustehende rumänische Rente ergebe sich aus dem Sinn des § 31 FRG und stehe insbesondere in Zusammenhang mit § 2 FRG. Das FRG sei bei Abkommensstaaten nach § 2 Satz 2 FRG weiterhin anzuwenden, sofern dieses durch eine entsprechende "FRG-Weitergeltungsbestimmung" im über- und zwischenstaatlichen Recht ausdrücklich geregelt wurde. Diese Ausnahmeregelung, durch die eine weitere Anrechnung der ausländischen Zeiten nach dem FRG möglich sei, habe der Gesetzgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes in das FRG eingeführt. Der Vertrauensschutz sei in der Erwartung eingeräumt worden, dass der durch das entsprechende Abkommensrecht ermöglichte Bezug einer ausländischen Rente nach § 31 FRG angerechnet werden könne. Im Ergebnis werde also die ausländische Rente auf das Niveau des Fremdrentenrechts aufgestockt. Dieser Zusammenhang zwischen § 2 und § 13 FRG ergebe sich aus der entsprechenden Gesetzesbegründung zu Art. 5 Zustimmungsgesetz zu dem Abkommen vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 18. Juni 1991 (BT-Drucks. 12/470). Die weitere Anwendung des FRG im Verhältnis zu Rumänien sei ausdrücklich in Nr. 13 des Schlussprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit vom 08.04.2005 geregelt und gelte im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsrechts durch den Eintrag im Anhang III Buchst. A Nr. 20b der Verordnung Nr. 1408/71 EWG weiter. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Dispositionsrecht des Art. 44 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 EWG, den rumänischen Rentenanspruch auf unbestimmte Zeit aufzuschieben. Dies könne nicht dazu führen, die Anrechnungsvorschrift des § 31 FRG zu umgehen.

Die Bf. erhob...

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