Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Kosten des Verfahrens. Gebührenermäßigung bei Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gebührenermäßigung gem. Nr. 7111 KV GKG kommt dann nicht in Betracht, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostengrundentscheidung treffen muss, die sich nicht lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft.
2. Wird das Verfahren durch gerichtlichen Vergleich ohne Vereinbarung zur Kostentragung beendet und kommt die Regelung des § 160 VwGO zur Anwendung. Weil der Vergleich nicht ausdrücklich auf die Hauptsache beschränkt worden ist, liegt ein Fall der Gebührenermäßigung gem. Nr. 7111 KV GKG vor.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 4. April 2013 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Kostenbeamtin in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG)(KV GKG).
Das unter dem Aktenzeichen S 3 KR 399/10 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren der Erinnerungs- und jetzigen Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung wegen einer Erstattung nach § 105 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch wurde in der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2012 durch Vergleich beendet. Eine Regelung zur Kostentragung enthielt der Vergleich nicht, wobei der Vergleich nicht ausdrücklich auf die Hauptsache beschränkt wurde. Mit in der mündlichen Verhandlung anschließend ergangenem Beschluss des SG wurden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und der Streitwert auf 90.721,29 € festgesetzt.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 16.07.2012 setzte die Kostenbeamtin des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtskosten in Höhe von 756,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7111 KV GKG zu Grunde.
Dagegen hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schriftsatz vom 28.11.2012 Erinnerung eingelegt. Eine Ermäßigung der Gerichtskosten nach Nr. 7111 KV GKG - so der Beschwerdeführer - komme nur dann in Betracht, wenn das gesamte Verfahren durch einen Ermäßigungstatbestand erledigt worden sei, ohne dass eine gerichtliche Kostengrundentscheidung ergangen sei. Aufgrund der hier erfolgten gerichtlichen Kostengrundentscheidung vom 11.07.2012 seien die Gerichtskosten nach Nr. 7110 KV GKG anzusetzen.
Mit Beschluss vom 04.04.2013 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Durch den Vergleich - so das SG - sei das Hauptsacheverfahren hinsichtlich aller anhängigen Streitgegenstände erledigt worden. Die Verfahrenskosten würden keinen eigenen Streitgegenstand bilden, so dass eine Entscheidung über die Verfahrenskosten der Erledigung des gesamten Verfahrens im Sinne der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehe, wie dies auch das Bayer. Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: "L 15 SF 268/11 B" [Anmerkung des Senats: richtiges Aktenzeichen: L 12 SF 268/11 B E], entschieden habe.
Mit Schreiben vom 12.04.2013 hat der Beschwerdeführer Beschwerde zum Bayer. LSG erhoben. Er vertritt die Ansicht, dass die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG dann nicht in Betracht komme, wenn eine Kostengrundentscheidung des Hauptsachegerichts ergangen sei, die sich nicht auf eine aktenkundige Einigung oder Bereitschaftserklärung eines Beteiligten stütze; denn in einem derartigen Fall sei nicht das gesamte Verfahren erledigt worden. Darauf, ob die Kostenfolge aus § 160 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eine zwingende und nur noch deklaratorisch auszusprechende Rechtsfolge darstelle, komme es nicht an.
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Gerichtskostenfeststellung vom 16.07.2012 ist nicht zu beanstanden, wie dies auch das SG im Ergebnis richtig mit Beschluss zur Erinnerung vom 04.04.2013 festgestellt hat; der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG kommt vorliegend zur Anwendung.
Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.
Mit der zu Grunde liegenden Problematik, ob eine vom Gericht auszusprechende Kostengrundentscheidung bei Vorliegen eines Erledigungstatbestands im Sinn der Nr. 7111 KV GKG im Übrigen einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegensteht, hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, befasst und Folgendes ausgeführt:
"3. Voraussetzung einer Beendigung des gesamten Verfahrens
Die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG setzt bei vollständiger Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraus...