Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtskosten. Gebührenermäßigung gemäß Nr 7111 GKVerz. Gesamtbeendigung des Verfahrens. noch zu treffende Entscheidung über die Kosten. Prüfungsaufwand des Gerichts. Festlegung der Erledigungsart durch Hauptsachegericht. Bindungswirkung. Gebührenermäßigung bei Klagerücknahme. keine Ermäßigung bei erforderlicher Entscheidung über Kosten eines Beigeladenen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gebührenermäßigung gem Nr 7111 KV GKG (juris: GKVerz) kommt dann nicht in Betracht, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostengrundentscheidung treffen muss, die sich nicht lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft.
2. Eine zu treffende Kostengrundentscheidung steht nur dann einer Gebührenermäßigung nach Nr 7111 KV GKG nicht entgegen, wenn sich diese Entscheidung lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den/dem Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. Oder mit anderen Worten: Ist die Kostengrundentscheidung allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung(en) getroffen worden, ohne dass ein weiterer Blick in die Akten erforderlich gewesen ist, hat eine Gebührenermäßigung nach Nr 7111 KV GKG zu erfolgen; anderenfalls ist für eine Gebührenermäßigung kein Raum.
3. Bei der Frage der Art der Erledigung des Hauptsacheverfahrens sind Kostenbeamter und Kostengericht an die Festlegung des Gerichts der Hauptsache gebunden, ohne dass es auf die materielle Richtigkeit der Festlegung im Hauptsacheverfahren ankommt.
4. Geht das Gericht der Hauptsache bei seiner Kostengrundentscheidung von einer Klagerücknahme gemäß 155 Abs 2 VwGO aus, kommt der Ermäßigungstatbestand der Nr 7111 Nr 1 KV GKG zur Anwendung.
Orientierungssatz
1. Zu der Problematik, wann eine vom Gericht auszusprechende Kostengrundentscheidung bei Vorliegen eines Erledigungstatbestandes iS von Nr 7111 GKVerz einer Anwendung des Ermäßigungstatbestandes entgegensteht vgl LSG München vom 4.1.2016 - L 15 SF 171/13 E = JurBüro 2016, 248.
2. Im Fall einer Klagerücknahme wird eine Ermäßigung nach Nr 7111 GKVerz regelmäßig nicht erfolgen, sofern im Verfahren ein Beigeladener beteiligt gewesen ist. Für eine Kostenprivilegierung ist dann kein Raum, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostenentscheidung treffen muss, die mit erheblichem richterlichen Arbeitsaufwand verbunden sein kann, weil eine Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, insbesondere mit den Erfolgsaussichten der Prozessparteien erforderlich ist, so wie es auch bei der gemäß § 162 Abs 3 VwGO zu treffenden Entscheidung der Fall ist.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Januar 2012 wird aufgehoben.
II. Die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 4. November 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Kostenbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).
Das unter dem Aktenzeichen S 28 KA 881/07 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren des Erinnerungsführers und jetzigen Beschwerdegegners (im Folgenden: Beschwerdegegner) gegen die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns endete durch mit Schriftsatz vom 22.10.2007 erklärter Klagerücknahme. Anschließend erlegte das SG mit Beschluss vom 05.03.2008, gestützt auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens auf; weiter stellte es fest, dass Kosten des Beigeladenen nicht zu erstatten seien, weil dieser weder Anträge zur Hauptsache gestellt habe noch Ausführungen des Beigeladenen das Verfahren wesentlich gefördert hätten, da auch ein Äußerungsbedarf noch nicht bestanden habe. Zudem wurde der Streitwert auf 5.000,- € festgesetzt.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 04.11.2011 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtkosten in Höhe von 363,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG zugrunde. Der Ansatz der Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG und nicht nach Nr. 7111 KV GKG wurde im Begleitschreiben vom 04.11.2011 damit begründet wurde, dass ein Beschluss nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) erlassen worden sei.
Dagegen hat der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 09.11.2011 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat er damit begründet, dass im Falle der Klagerücknahme eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen sei und der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG erfüllt sei.
Mit Beschluss vom 26.01.2012 hat das SG die Gerichtskosten auf 121,- € festgesetzt und dabei den Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG zugrunde gelegt. Wegen der Klagerücknahme - so das SG - beruhe die Kostenentscheidung des Gerichts der Ha...