Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe für Asylbewerber. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. verspäteter Asylantrag
Orientierungssatz
Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung iS des § 2 Abs 1 AsylbLG liegt vor, wenn der Asylantrag zeitversetzt verspätet bzw bewusst in letzter Minute gestellt wird, um einer Aufenthaltsbeendigung zu entgehen.
Normenkette
AsylbLG § 2 Abs. 1 Fassung: 2004-07-30, Abs. 3, § 3; SGG § 86b Abs. 2 Sätze 2, 4; ZPO § 294 Abs. 1, § 920 Abs. 2
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 02.03.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Rechtsanwältin M, wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Antragsteller (Ast) sind Staatsangehörige der Republik Serbien und Montenegro albanischer Volkszugehörigkeit. Die Ast zu 1. bis 4. halten sich seit April 1994, die Ast zu 5. und 6. seit ihrer Geburt 1996 bzw. 1998 in der Bundesrepublik Deutschland auf, wo sie allesamt seit mehr als 36 Monaten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten. Sie sind, das ist unstreitig, nach Ablehnung ihrer Asylanträge vollziehbar ausreiseverpflichtet.
Mit Bescheid vom 05.01.2005 bewilligte der Antragsgegner (Ag) den Ast für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG in Form von Geldleistungen, Sachleistungen und Wertgutscheinen in der jeweils gesetzlich vorgesehenen Höhe.
Hiergegen erhoben die Ast unter dem 18.01.2005 insoweit Widerspruch, als sie geltend machen, dass ihnen ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG ab dem 01.01.2005 zur Seite steht.
Über diesen Widerspruch wurde bislang nicht entschieden.
Am 19.01.2005 beantragten sie beim Sozialgericht Nürnberg (SG), den Ag im Wege des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen Geldleistungen gemäß § 3 AsylbLG (gemeint war: § 2 AsylbLG iVm dem SGB XII) zu bewilligen, hilfsweise, den Ag unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2005 zu verpflichten, die Anträge der Ast unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
Zur Begründung gaben sie im Wesentlichen an, seit dem 01.01.2005 könnten geduldete und sonstige ausreisepflichtige Ausländer "Leistungen nach § 2" beanspruchen.
Der Ag beantragte, die Anträge abzulehnen. Einstweiliger Rechtsschutz sei nicht gerechtfertigt, weil die Ast Grundleistungen nach dem AsylbLG erhielten. Zudem hätten die Ast die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland missbräuchlich im Sinne des § 2 Abs 1 AsylbLG beeinflusst. Sie hätten ihre Asylanträge zeitversetzt gestellt und zwar die Ast zu 1. bis 4. am 02.05.1994, der Ast zu 5. am 26.03.2003 und die Ast zu 6. am 17.09.2004. Zum Vollzug des § 2 AsylbLG seien vom Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Frauen unter dem 17.11.2004 entsprechende Hinweise ergangen. Unter Beachtung dieser Vollzugshinweise habe der Ag die Frage nach einer möglichen missbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer in enger Abstimmung mit der zuständigen Ausländerbehörde getroffen. Der Tatbestand der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet sei erfüllt. Die Ast seien für eine Sammelabschiebung am 24.04.2003 vorgesehen gewesen. Eine entsprechende Anmeldung sei bei der Regierung von Mittelfranken am 27.02.2003 erfolgt und den Ast bekannt gegeben worden. Diese Anmeldung habe storniert werden müssen, weil für den Ast zu 5. am 26.03.2003 Asylantrag gestellt worden sei.
Das SG lehnte mit Beschluss vom 02.03.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Hiergegen wenden sich die Ast mit ihrer Beschwerde vom 15.03.2005. Sie beantragen, den Ag unter Aufhebung des Beschlusses des SG vom 02.03.2005 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Geldleistungen gemäß § 2 AsylbLG iVm dem SGB XII zu bewilligen, hilfsweise, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2005 den Ag zu verpflichten, ihre Anträge auf Leistungen nach dem AsylbLG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Zudem beantragen sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung der Rechtsanwältin M. , im hier anhängigen Beschwerdeverfahren. Sie verweisen auf die Richtlinie 2003/9/EG des Rates der Europäischen Union vom 27.01.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten (Amtsblatt Nr L 031 vom 06.02.2003 S 18; RL 2003/9/EG). Der Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens sei unzutreffend. Zudem sei ein Anordnungsgrund gegeben. Die Regelsätze der Sozialhilfe stellten ohnehin das Existenzminimum dar.
Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er stützt sich zur Begründung im Wesentlichen auf seine bisherigen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten in beiden...