Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Verfassungsmäßigkeit. Sozialhilfe nach längerer Aufenthaltsdauer. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer
Orientierungssatz
1. Durch die Leistungen nach §§ 3ff AsylbLG sind die Gewährung der gem Art 1 Abs 1, Art 20 GG garantierten Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein gesichert, was nicht zuletzt auch durch § 6 AsylbLG gewährleistet wird (vgl BVerwG vom 29.9.1998 - 5 B 82/97 = FEVS 49, 97). Wie ein Vergleich mit § 1a AsylbLG zeigt, übersteigen die Leistungen nach §§ 3ff AsylbLG das, was zum Lebensunterhalt unerlässlich, also unabweisbar geboten ist.
2. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art 16 Abs 1 Buchst a EGRL 9/2003 genügt, um von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten iS des § 2 Abs 1 AsylbLG ausgehen zu können.
3. Der Begriff des Rechtsmissbrauchs iS des § 2 Abs 1 AsylbLG ist von der Eingriffsschwelle zur Anspruchseinschränkung gemäß § 1a AsylbLG abzugrenzen, die eine darüber hinausgehende Leistungskürzung auf die im Einzelfall unabweisbar gebotene Hilfe ermöglicht.
4. Die Beschränkung des Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG auf Leistungen nach §§ 3ff AsylbLG kann nicht nur für die Aufenthaltszeiten gelten, die aktuell durch rechtsmissbräuchliches Verhalten erwirkt wurden. Nach dem Wortlaut der Bestimmung und nach dem Normzweck des § 2 Abs 1 AsylbLG kann die erhöhten Leistungen entsprechend SGB 12 nur der Leistungsberechtigte iS des § 1 AsylbLG in Anspruch nehmen, der (allgemein) die Dauer seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland eben nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat. Die gegenteilige Auffassung verkennt, dass der Aufenthalt des nach § 1 Abs 1 AsylbLG Leistungsberechtigten regelmäßig nur vorübergehender Natur ist und deshalb die Fortdauer der Leistungseinschränkung über den konkret rechtsmissbräuchlich herbeigeführten Aufenthalt hinaus in der Regel auch nicht unzumutbar ist.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.03.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Rechtsanwältin M. , E. , für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen gemäß § 2 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die 1944 geborene Antragstellerin (Ast) ist Staatsangehörige der Republik Serbien und Montenegro. Bei ihrer ersten Asylantragstellung gab sie an, kosovo-albanische Volkszugehörige zu sein. Später machte sie geltend, sie sei Roma.
Die Ast reiste am 22.12.1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 16.01.1992 erstmals Asylantrag stellte, den sie nach Klageerhebung aber wieder zurücknahm. Am 09.05.1997 wurde sie in ihr Heimatland abgeschoben.
Nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland stellte sie am 15.01.1999 einen Asylfolgeantrag, woraufhin ihre seinerzeitige Ausreisefrist bis 20.04.1999 verlängert wurde. Auch dieser Asylantrag blieb erfolglos, weil nach Auffassung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge keine Gründe vorlagen, die die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens rechtfertigen konnten.
Das hinderte die Ast nicht, bereits am 09.08.1999 den zweiten Asylfolgeantrag zu stellen. Wiederum wurde daraufhin ihre Ausreisepflicht verlängert. Auch dieser Antrag blieb erfolglos, ebenso die gegen die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erhobene Klage und der gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Ast, die vorher Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG bezog, erhielt seit Januar 2002 Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), weil sie die Voraussetzungen des früheren § 2 Abs 1 AsylbLG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung erfüllte.
Mit Bescheid vom 14.01.2005 bewilligte der Antragsgegner (Ag) der Ast ab dem 01.02.2005 nur noch die gegenüber der Sozialhilfe verminderten Leistungen nach dem AsylbLG. Die Ast habe die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich beeinflusst i.S. des § 2 Abs 1 AsylbLG in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Art 8 Nr 3 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl I S 1950).
Gegen diesen Bescheid erhob die Ast am 18.01.2005 Widerspruch, über den - soweit aus den Akten ersichtlich - noch nicht entschieden wurde.
Am 26.01.2005 beantragte die Ast beim Sozialgericht Bayreuth (SG), den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab dem 01.02.2005 Leistungen gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII zu bewilligen, hilfsweise, unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2005 den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über ihren Antrag auf Bewilligung solcher Leistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden.
Sie habe ...