Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. vorläufige Kostenübernahme für Therapie mit nicht zugelassenem Medikament bei lebensbedrohlicher Erkrankung durch die Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Zum Eilrechtsschutz wegen Bewilligung eines nicht zugelassenen Medikaments bei lebensbedrohlicher Erkrankung.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 12. März 2013 aufgehoben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller von den Kosten für eine Therapie mit Avastin für ein dreimonatiges Therapieintervall vorläufig freizustellen.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes streitig die vorläufige Kostenübernahme einer Behandlung mit dem Arzneimittel Avastin in Kombination mit dem Zytostatikum Irinotecan für drei Monate.
Der 1966 geborene Antragsteller ist an einem bösartigen hirneigenen Tumor (Glioblastom) erkrankt. Im Februar 2012 erfolgte eine operative Teilentfernung. Daran anschließend erhielt der Antragsteller eine simultane Radiochemotherapie mit dem Zytostatikum Temodal. Ab Mai 2012 wurde eine adjuvante Temodaltherapie angewandt. Auch nach einer Ende November 2012 intensivierten Chemotherapie mit Temodal konnte eine Verbesserung nicht festgestellt werden. Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin unter Vorlage eines Schreibens des Oberarztes Dr. L., Universitätsklinikum B-Stadt, Strahlenklinik, vom 16.1.2013 die Kostenübernahme einer Therapie mit Avastin in Kombination mit dem Zytostatikum Irinotecan. In dem Schreiben bestätigt das Universitätsklinikum B-Stadt den bisherigen Therapieverlauf und begründet die geplante Umstellung der Therapie mit einer weiteren Progression der Erkrankung. Das Medikament Avastin mit dem Wirkstoff Bevacizumab ist für die Behandlung verschiedener Krebserkrankungen in Deutschland zugelassen. Während in den USA seit 2009 eine Zulassung auch für die Behandlung des rezidivierenden Glioblastoms besteht, ist dies in Deutschland nicht der Fall.
Der von der Antragsgegnerin mit einer Stellungnahme beauftragte MDK Bayern teilte dieser mit Schreiben vom 23.1.2013 mit: "Zulassungserweiterung für Avastin wurde durch Zulassungsbehörde mit Hinweis auf ungünstige Risiko-Nutzen-Situation abgelehnt. Vorauss. zur Leistungspflicht der GKV für off-label-Anwendung von Avastin nach bereits abgelehntem Zulassungsantrag nicht erfüllt." Mit Schreiben an den Antragsteller vom 18.3.2013 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Beteiligung an den Kosten für eine Behandlung mit Avastin unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK Bayern ab. Dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25.3.2013 Widerspruch. In einem weiteren bei der Antragsgegnerin geführten Verwaltungsverfahren hat der Antragsteller die Kostenübernahme für eine FET-PET-CT Untersuchung beantragt. In einem dazu vorgelegten Schreiben des Oberarztes Dr. L., Universitätsklinikum B-Stadt, Strahlenklinik, vom 22.2.2013 wird die Notwendigkeit der Untersuchung damit begründet, es müsse ein Pseudoprogress abgeklärt werden. Könne eine fortschreitende Erkrankung ausgeschlossen werden, sei die Fortführung der intensivierten Temodaltherapie durchaus vertretbar. Anderenfalls werde auf eine avastinhaltige Therapie umgestellt. Die Durchführung der FET-PET-CT-Untersuchung sei deshalb für die weitere Therapieentscheidung erforderlich. Mit Schreiben vom 11.3.2013 hat Dr. L. wiederholt, dass die Abklärung des tatsächlichen Vorliegen eines Progresses von größter Wichtigkeit für die weitere Therapieplanung sei. Der MDK Bayern hat in einem Sozialmedizinischen Gutachten vom 21.3.2013 die Kostenübernahme für die begehrte Untersuchungsmethode nicht befürwortet und einen medizinischen Nutzen in der vorliegenden Behandlungssituation als nicht belegt angesehen.
Bereits am 5.3.2013 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Regensburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kostenübernahme für eine Therapie mit Avastin/Bevacizumab für ein dreimonatiges Therapieintervall zu erklären. Der Antragsteller hat sich auf das Schreiben des Oberarztes Dr. L., Universitätsklinikum B-Stadt, Strahlenklinik, vom 16.1.2013 gestützt und geltend gemacht, es bestünden nach der fortlaufenden Progression der Erkrankung, trotz intensivierter Chemotherapie mit Temodal, keine zugelassenen Behandlungsalternativen. Aufgrund der Schwere der Erkrankung könne der Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden. Der Antragsteller hat ein ärztliches Sachverständigengutachten auf neurochirurgischem Fachgebiet von Prof. Dr. E., Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums B-Stadt, vom 17.12.2012 vorgelegt. Das Gutachten wurde im Auf...