Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Hinreichende Aussicht auf Erfolg. Beweisaufnahme. Beiordnung eines Rechtsanwalts. Beschwerde. Kostenentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist eine Beweisaufnahme notwendig, so bietet eine Klage i.d.R. hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO.
2. Hat eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe Erfolg, werden die Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren auf die Staatskasse übernommen.
Normenkette
SGG §§ 73a, 193; ZPO §§ 114, 121 Abs. 2, § 127 Abs. 4; RVG § 18 Nr. 5, § 45 Abs. 1
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.06.2008 aufgehoben.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und Rechtsanwalt H., D.str.. , B-Stadt, beigeordnet.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren werden auf die Staatskasse übernommen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Aufhebung des ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Bayreuth vom 04.06.2008, die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung des Rechtsanwalts H..
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob beim Kläger Berufskrankheiten im Sinne der Nr. 2108 und/oder 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12.10.2007 beim SG die Gewährung von PKH beantragt, die das SG mit Beschluss vom 04.06.2008 mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt hat. Es hat die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheiten unter Bezugnahme auf Erhebungen der Beklagten verneint. Die Beklagte habe sich im Verwaltungsverfahren an den Vorgaben des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) orientiert. Das Bundessozialgericht (BSG) gehe im Urteil vom 19.08.2003 Az: B 2 U 1/02 R, modifiziert durch das Urteil vom 30.10.2007 B 2 U 4/06 R ebenfalls davon aus, dass das MDD nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand ein geeignetes Modell zur Feststellung der schädigenden Einwirkung im Sinne der Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage zur BKV darstelle.
Der Kläger hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt.
Der Senat hat den Beklagten zur Beschwerde gehört.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 173 SGG), im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet.
Die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH gelten (im Sozialgerichtsrechtsstreit entsprechend (§ 73a SGG). Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Grundgesetz (GG) eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (so BVerfGE 81, 347, 356 mwN). Da der Gleichheitsgrundsatz des GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten verlangt, sondern nur eine weitgehende Angleichung, ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von PKH davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. PKH darf dann verweigert werden, wenn die Erfolgschance nur eine entfernte ist (BVerfGE aaO S 357).
Für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 8.Aufl, § 73a Rdnr 7 mwN); der Erfolg braucht nicht mit Sicherheit festzustehen. Es muss nicht abschließend abzusehen sein, ob das Rechtsmittel begründet ist, vielmehr ist die Erfolgsaussicht grundsätzlich schon dann als hinreichend anzusehen, wenn sich die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme ergibt (Peters-Sautter-Wolff 4.Aufl, § 73a S 258/8-14/21. Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann somit vorliegen, wenn es erforderlich erscheint, Gutachten einzuholen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO; Beschluss des BayLSG vom 06.07.1987 - L 5 B 55/87.Ar und vom 22.03.1989 - L 5 B 305/88.Ar).
Dies ist hier der Fall. Für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Beklagte im Sinne der Nr 2108 der Anlage zur BKV vorliegen, sind nach dem vom SG zitierten Urteil des BSG vom 30.10.2007 die vom MDD vorgegebenen Orientierungswerte im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu modifizieren. Die vorliegende Streitsache ist daher nac...