Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Gutachtensrechnung. 3-Monatsfrist. Fristversäumnis. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. starke berufliche Beanspruchung: kein Wiedereinsetzungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

Auch starke berufliche Beanspruchung kann bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 JVEG nicht berücksichtigt werden.

 

Orientierungssatz

Nach Ablauf von drei Monaten erlischt der Anspruch auf Vergütung - unabhängig von einer Aufforderung durch das Gericht zu einer Bezifferung - ohne Weiteres gem § 2 Abs 1 S 1 JVEG.

 

Tenor

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Vergütung für das von ihm im August 2008 gefertigte Gutachten.

 

Gründe

I.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit O. T. gegen Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution mit Aktenzeichen L 3 U 317/06 ist der Antragsteller mit Beweisanordnung des BayLSG vom 11.04.2008 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden.

Sein fachdermatologisch-allergologisches Gutachten ist am 18.08.2008 beim BayLSG mit den zugehörigen Akten eingegangen. Eine Rechnung war nicht beigefügt.

Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 08.09.2009 dahingehend informiert, dass sein Anspruch auf Vergütung für das am 18.08.2008 eingegangene Gutachten erloschen sei, weil bis dato keine Rechnung eingegangen sei.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 18.10.2009 erwidert, dass im "normalen Leben" Ansprüche am Ende des dritten Jahres nach Fälligkeit erlöschen würden, hier also erst am 31.12.2011. Er müsse 2700 Patienten pro Quartal nicht nur behandeln, sondern auch "verwaltungstechnisch erledigen". Leider habe er die Rechnungsstellung übersehen. Wegen Überlastung und mangels entsprechender juristischer Kenntnisse bitte er ausnahmsweise um Erlaubnis einer "späten" Rechnungsstellung.

Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Begehren des Antragstellers nicht abgeholfen und den Gesamtvorgang dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 JVEG im Falle der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen hat. Vorliegend ist das Gutachten vom August 2008 am 18.08.2008 beim BayLSG mit der Folge eingegangen, dass der Anspruch auf Vergütung mit Ablauf des 18.11.2008 erloschen ist.

Dies gilt insbesondere dann, wenn der Antragsteller wie hier darauf hingewiesen worden ist, dass der Anspruch auf Vergütung erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten nach Erstellung des Gutachtens bei Gericht geltend gemacht wird (vgl. den hervorgehobenen Hinweis auf dem beigefügten Merkblatt für die/den Sachverständige/n). Nach Ablauf der Drei-Monatsfrist erlischt der Anspruch ohne Weiteres unabhängig von einer Aufforderung durch das Sozialgericht zu einer Bezifferung (Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., Rz. 15 zu § 2 JVEG mit Hinweis auf Landgericht Düsseldorf in Rpfleger 82/105; ständige Kostenrechtsprechung des BayLSG, zuletzt mit Beschluss vom 02.03.2010 - L 15 SF 52/10 B E).

Der Kostensenat des BayLSG verkennt nicht, dass im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit vielfach nicht das dringende Bedürfnis besteht, einen Rechtsstreit auch kostenrechtlich alsbald abzuwickeln. Die Verfahren sind gemäß § 183 SGG überwiegend kostenfrei. Dies gilt jedoch nicht in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Antragsteller von Seiten des Klägers auf eigenes Kostenrisiko gemäß § 109 SGG benannt und beauftragt worden ist. Weiterhin darf nicht übersehen werden, dass auch in kostenpflichtigen Verfahren im Sinne von § 197a SGG immer wieder Gutachten eingeholt werden. Entscheidungserheblich ist vielmehr, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das JVEG die Vergütung oder Entschädigung für einen Berechtigten einheitlich für alle gerichtlichen Verfahren regelt (Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., Rz. 3 zu § 1 JVEG m.w.N.). Eine "Kulanzregelung" ist daher nicht möglich.

Auch sonstige Gründe wie die vorgetragene starke berufliche Beanspruchung, die letztendlich auf die Grundsätze von "Treu und Glauben" im Sinne von § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zielen, können nicht berücksichtigt werden.

War der Berechtigte ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist nach § 2 Abs. 1 JVEG gehindert, gewährt ihm das Gericht nach § 2 Abs. 2 JVEG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen. Nach Ablauf eines Jahres von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht mehr verlangt werden.

In diesem Zusammenhang geht es zu Lasten des Antragstellers,...

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