Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Verpflichtung zur Unterlassung der Einleitung eines Rehabilitationsverfahrens. Statthaftigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, die Einleitung eines medizinischen Rehabilitationsverfahrens zu unterlassen, ist nicht statthaft.

2. Der Rechtsgedanke des § 44a VwGO ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.09.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

In dem Beschwerdeverfahren ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag) streitig, von der Antragstellerin (ASt) bis auf Weiteres keine Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu verlangen.

In dem beim Sozialgericht Nürnberg (SG) anhängigen Klageverfahren (S 16 R 385/08) hat die ASt unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide die Verpflichtung der Ag beantragt, ihr auf den Antrag vom 15.05.2007 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Das SG hat den Internisten Dr. S. mit Gutachten vom 14.10.2008 gehört. Dieser hat ein dreistündiges Leistungsvermögen der ASt angenommen. Es bestünde aber eine begründete Aussicht, durch Anwendung bisher noch ungenutzter diagnostischer Verfahren und erweiterter therapeutischer Maßnahmen die vorhandenen Gesundheitsstörungen soweit zu bessern, dass ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr in absehbarer Zeit erreicht werden könne. Diese Maßnahmen könnten im Rahmen eines stationären Rehabilitationsverfahrens konzentriert werden. Der ebenfalls gehörte Neurologe und Psychiater Dr. B. hat auf seinem Fachgebiet eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht festgestellt (Gutachten vom 20.01.2009).

Die Ag hat unter Hinweis auf die Ausführungen der Sachverständigen den Antrag auf Abweisung der Klage aufrecht erhalten. Vordringlich erscheine die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Diese Leistung hätte Vorrang vor der Gewährung einer Rente.

Mit Schreiben vom 11.02.2009 hat die Ag der ASt Antragsformulare für eine medizinische Leistung zur Rehabilitation mit der Bitte übersandt, diese vollständig ausgefüllt zurückzusenden. Die Ag hat die ASt an die Übersendung der Formulare erinnert (Schreiben vom 19.03.2009).

Am 27.03.2009 hat die ASt beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend beantragt, dass die Ag von ihr bis auf Weiteres keine Rehabilitationsmaßnahmen mehr verlange. Durch eine solche Maßnahme könne keine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes erreicht werden. Die Ag habe mit Mahnung und per Bescheid vom 19.02.2009 einen Rehabilitationsaufenthalt verlangt, der aus medizinischer Sicht völlig sinnlos sei. Es sei völlig aussichtslos, dass sie ihren sozialrechtlichen Mitwirkungspflichten nachkomme, weshalb der Bescheid nicht zu erlassen gewesen sei.

Mit Beschluss vom 08.09.2009 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Eine Sicherungsanordnung komme nicht in Betracht, da ein Recht, das durch eine bestandsschützende Anordnung gesichert werden müsste, hier ein Recht auf Rentenzahlung, bisher nicht feststehe. Eine Regelungsanordnung scheide ebenfalls aus. Einen Anordnungsgrund habe die ASt nicht glaubhaft gemacht. Schwere und unzumutbare Nachteile seien nicht anzunehmen, weil es im Hauptsacheverfahren um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, d.h. um Leistungen finanzieller Art gehe. Die ASt könne zumutbar auf den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch verwiesen werden. Es fehle auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches. Zum einen habe die Ag der ASt bisher lediglich mit Schreiben vom 19.02.2009 Antragsformulare für einen Antrag auf Leistungen zur medizinische Rehabilitation übersandt und mit Schreiben vom 19.03.2009 hieran erinnert, jedoch keinen Verwaltungsakt über die Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erlassen. Einen "Bescheid vom 19.02.2009" - wie von der ASt angegeben - habe dem SG nicht vorgelegen und habe die Ag nach deren Angaben auch nicht erlassen. Zum anderen komme dem Grundsatz "Reha vor Rente" kein anspruchsversagender Charakter zu. Dieser Grundsatz begründe für den Versicherten nur eine Obliegenheit, im zumutbaren Umfang an der Verhinderung oder Beseitigung eines Versicherungsfalls mitzuwirken und sich insbesondere medizinischen Rehabilitationsleistungen zu unterziehen. Dieser Grundsatz stelle nur einen Programmsatz dar, der nicht dazu berechtige, eine Rente zu versagen, wenn deren tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien und der Versicherte sich weigere, sich einer Rehabilitationsleistung zu unterziehen. Ein Versagen der Leistung könne nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 63, 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und durch einen im Ermessen des Rentenversicherungsträgers stehenden ausdrücklichen Bescheid erfolgen. Ein derartiges Verwaltungsverfahren habe die A...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge