Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. keine Kostenübernahme von Beiträgen für private Kranken- und Pflegeversicherung. Angemessenheit gem § 32 Abs 5 SGB 12. Europarechtskonformität

 

Orientierungssatz

1. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit iS des § 32 Abs 5 SGB 12 setzt ua voraus, dass die freiwilligen Vorsorgeaufwendungen in einem ähnlichen Maße wie die gesetzlich vorgeschriebenen Sozialversicherungen notwendig sind (vgl OVG Münster vom 11.7.2001 - 12 A 2727/00). Die bezweckte Sicherung darf dabei nach Art und Höhe allenfalls dem entsprechen, was ein vernünftiger und vorausschauend planender Bürger ohne überzogenes Sicherheitsbedürfnis mit einem Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze in einer ansonsten vergleichbaren Lage für sinnvoll und tragbar erachten würde (vgl OVG Münster vom 11.7.2001 aaO und BVerwG vom 28.5.2003 - 5 C 8/02 = BVerwGE 118, 211).

2. Kann ein Hilfebedürftiger die Mittel für eine Versorgung im Krankheitsfall nicht selbst aufbringen, obliegt es nicht ihm, zwischen Hilfe nach § 32 SGB 12 (vormals § 13 Abs 2 BSHG) und Hilfe nach § 48 SGB 12 (vormals § 37 BSHG) zu wählen. Vielmehr muss er es dem Sozialhilfeträger, der die Mittel für seine Versorgung im Krankheitsfall aufbringt, überlassen, ob dieser schon vor Eintritt eines Krankheitsfalles die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung als Ermessensleistung (§ 32 SGB 12) übernehmen oder erst im Krankheitsfall Krankenhilfe nach § 48 SGB 12 leisten will (vgl BVerwG vom 23.9.1999 - 5 C 22/99 = BVerwGE 109, 331).

3. Liegen die jährlichen Aufwendungen für die Krankenhilfe gem § 264 SGB 5 iVm § 48 SGB 12 voraussichtlich unter den jährlichen Beiträgen zur privaten Krankenversicherung, ist die Übernahme der Beiträge unangemessen iS von § 32 Abs 5 S 1 SGB 12, weil der Hilfebedürftige zumutbar auf die Leistungen der Krankenhilfe nach § 48 SGB 12 verwiesen werden kann.

4. Die Krankenhilfe nach § 48 SGB 12 verstößt nicht gegen Europarecht.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 25. März 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. S. , M. , wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage der vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin - Ag. - zur Übernahme der privaten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Antragsteller - Ast. -.

Der 1939 geborene Antragsteller italienischer Staatsangehörigkeit bezieht seit 01.01.2005 laufende Leistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches (SGB) XII, zuletzt mit Bescheid vom 11.12.2007 für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2008 in Höhe von monatlich 703,13 EUR unter Berücksichtigung eines Altersruhegeldes von monatlich 172,38 EUR. Bis zum 31.12.2007 wurden auch die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie der jährliche Eigenanteil in Höhe von 306,00 EUR übernommen.

Mit Schreiben vom 19.03.2007 forderte die Ag. den Ast. auf, die private Krankenversicherung zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass im Anschluss daran die Übernahme der Kosten im Rahmen des § 264 SGB V in Verbindung mit § 48 SGB XII erfolge. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Ast. wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2007 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 20.07.2007 forderte die Ag. den Ast. auf, eine Krankenkasse auszuwählen, bei der er gemäß § 264 SGB V angemeldet werden solle. Der Aufforderung kam der Ast. nicht nach.

Mit Bescheid vom 11.12.2007 lehnte die Ag. die Übernahme der Versicherungsbeiträge über den 31.12.2007 hinaus ab. Ferner wies die Ag. den Ast. erneut darauf hin, dass ihm Krankenbehandlung gemäß § 264 SGB V gewährt werde und forderte den Ast. zur Abgabe der Erklärung zur Wahl einer Krankenkasse auf. Dieser Aufforderung kam der Ast. bisher nicht nach. Gegen den Bescheid vom 11.12.2007 legte der Ast. Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2008 zurückgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Ast. Klage zum SG (Az.: S 8 SO 138/08).

Mit Schreiben vom 26.01.2008 hatte das private Krankenversicherungsunternehmen die fälligen Beiträge für Januar 2008 angemahnt und auf das Recht zur fristlosen Kündigung hingewiesen, wenn der Gesamtbeitrag nicht binnen zwei Monaten beglichen werde.

Mit Schreiben vom 04.03.2008 hat der Ast. einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München - SG - begehrt und ausgeführt, er würde spätestens zum 01.01.2009 bei der privaten Krankenversicherung nach § 193 Abs.3 VVG zu einem monatlichen Beitrag von ca. 500,00 EUR pflichtversichert werden. Der Gesetzgeber habe beschlossen, dass jeder innerhalb des SGB entweder in der gesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherung pflichtversichert sei. Demgegenüber sei der Ast. gegenwärtig günstig vollversichert. Dies habe die Ag. bei ihrer Ermessensentscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Das Ermessen sei auf Null reduziert. Die ...

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