Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten der Unterkunft. Angemessenheitsgrenze. Wohnlage. Bestandskraft. Einstweilige Anordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Bestandskraft der Hauptsache im ER
a) Wenn ein Ablehnungsbescheid bestandskräftig wird, wird ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig. Es ist dann kein Raum mehr für eine vorläufige Zwischenregelung durch das Gericht (vgl. BayLSG, Beschluss vom 12.04.2010, L 7 AS 144/10 B ER).
b) Wenn ein Ablehnungsbescheid nach Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Gericht bestandskräftig wird, kann die zur Leistung verpflichtete Behörde dies in einem Antrag auf Abänderung des Beschlusses an das Gericht geltend machen. Es obliegt nicht der Behörde, die vom Gericht angeordnete Leistungsverpflichtung eigenmächtig einzustellen. Aus diesem Grund bedarf es in einer einstweiligen Anordnung nicht des Zusatzes "längstens bis zur Bestandskraft in der Hauptsache".
2. Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II
a) § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II gestattet es der Behörde, aus wirtschaftlichen Gründen (insb. wegen Umzugskosten) etwas höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen, als es die Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erlaubt. Daraus ergibt sich kein Anspruch, auch für eine viel zu teuere Wohnung einen Zuschlag zur Angemessenheitsgrenze zu erhalten.
b) Bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat das BSG darauf hingewiesen, dass eine "Ghettobildung" zu vermeiden ist. Dies bedeutet, dass die Angemessenheitsgrenze nicht nur aus Wohnungen aus "Ghettos" ermittelt werden darf. Das bedeutet aber nicht, dass die Angemessenheitsgrenze für besonders teure und beliebte Stadtviertel gesondert zu ermitteln ist.
Normenkette
SGB II § 22
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 14. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist im Eilverfahren, in welcher Höhe der Antragsgegner ab 01.12.2012 Kosten der Unterkunft zu übernehmen hat.
Die 1959 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin bewohnt alleine eine Wohnung mit 48 qm Wohnfläche in A-Stadt. Nach dem Mietvertrag vom 27.03.2006 hat diese eine Grundmiete von monatlich 690,- Euro zuzüglich einer Abschlagszahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 55,- Euro EUR. Zum 01.02.2013 erhöht der Vermieter die Grundmiete auf 768,70 Euro. Für die Heizung mittels Gas zahlt die Antragstellerin an die Stadtwerke monatlich 115,- Euro. Zusammen ergibt sich eine Gesamtmiete von 860,- Euro, ab Februar 2013 von 938,70 Euro.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin ab 01.03.2007 nach entsprechender Kostensenkungsaufforderung lediglich die Kosten der Unterkunft und Heizung, die nach seinen Vorgaben angemessen seien. Dies ist ab Mitte 2008 eine Grundmiete von monatlich 449,21 Euro. Die Antragstellerin führte deswegen mehrere Eilverfahren und Klageverfahren durch. Zuletzt entschied das Bayerische Landessozialgericht nach umfangreichen statistischen Ermittlungen mit Urteil vom 11.07.2012, Az. L 16 AS 127/10, dass der Antragstellerin für die Zeit bis November 2008 bis auf wenige Cent keine höheren Unterkunftskosten zustehen. Hierzu ist unter B 4 AS 77/12 R die Revision anhängig.
Mit Bescheid vom 18.10.2012 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Arbeitslosengeld II in Höhe von 993,21 Euro monatlich. Darin enthalten war der Regelbedarf in Höhe von 374,- Euro und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 619,21 Euro. Dabei wurden eine Grundmiete von 449,21 Euro sowie die vollen Neben- und Heizkosten übernommen. Am 30.10.2012 legte die Antragstellerin gegen diese Entscheidung Widerspruch ein.
Ebenfalls am 30.10.2012 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und begehrte ab 01.12.2012 vorläufig höhere Leistungen. Es seien monatlich mindestens 600,- Euro an Grundmiete anzusetzen, mithin mindestens monatlich um 150,79 Euro höhere Leistungen.
Mit Beschluss vom 14.12.2012 verpflichtete das Sozialgericht München den Antragsgegner für die Zeit ab 01.12.2012 vorläufig bis zum 31.05.2013, längstens aber bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, weitere Leistungen für die Unterkunft in Höhe von 16,54 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen lehnte es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Bereits in den Jahren 2006/2007 sei ein ordnungsgemäßes Kostensenkungsverfahren durchgeführt worden. Das Konzept des Antragsgegners für die Angemessenheit der Unterkunftskosten sei nicht schlüssig (vgl. o.g. Urteil des BayLSG). Die angemessenen Kosten der Unterkunft könnten im Eilverfahren ausgehend vom bestehenden Mietspiegel lediglich geschätzt werden. Danach betrage die durchschnittliche Grundmiete (Nettokaltmiete) für eine Wohnung der Wohnfläche von 50 qm in der mittleren Baujahreskategorie von 1989 bis 1994 517,50 Euro (10,35 Euro pro qm). Da lediglich Wohnunge...