Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Keine Aussetzung der Vollstreckung mangels Darlegung eines Nachteils
Tenor
I. Der Antrag der Antragsgegnerin, die Vollstreckung aus den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 13.04.2010 auszusetzen, wird abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Am 13.04.2010 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) die Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 2), 3) und 4) ab sofort Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 80 % der Regelleistung zu gewähren. Dagegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zugleich beantragt, die "Vollziehung der Ziffer 1 des Beschlusses" des SG auszusetzen. Zudem hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, mit den Antragstellern zu 2), 3) und 4) sei eine Übereinkunft dahingehend erzielt worden, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 13.04.2010 bis 05.05.2010 gezahlt würden; ab 06.05.2010 würden sie voraussichtlich eine ausländerrechtliche Duldung und somit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.
II.
Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.
Gemäß § 199 Abs.2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel iS des § 199 Abs.1 SGG liegt vor. Die Beschwerde des Antragsgegners hat keine aufschiebende Wirkung (§ 175 Satz 1 und 2 SGG).
Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.
Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl., § 199 Rdnr.8), wobei der in § 175 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Beschwerden in der Regel keine aufschiebende Wirkung haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO Rdnr.8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).
Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten der Berufung ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Antragsgegnerin - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im Nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2010 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr.1). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl. hierzu auch die § 86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).
Vorliegend sind die Erfolgsaussichten als offen anzusehen.
Es ist daher zu prüfen, ob ein Nachteil im o.g. Sinne von der Antragsgegnerin glaubhaft dargelegt worden ist. Dies ist nicht der Fall. Nachdem die Antragsgegnerin mitgeteilt hat, vorläufige Zahlungen würden an die Antragstellern zu 2), 3) und 4) vom 13.04.2010 bis 05.05.2010, hernach wohl Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erbracht werden, besteht derzeit keine Besorgnis, dass die Antragsteller die Vollstreckung betreiben werden. Sollten ihnen ab 06.05.2010 keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuerkannt werden, so würde eine Interessenabwägung zu Gunsten der Antragsteller zu 2), 3) und 4) für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Weiterleistung entsprechend dem Beschluss des SG sprechen. Die Antragsgegnerin hat nämlich keinen Nachteil im o.g. Sinne glaubhaft dargelegt.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der hier als Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung auszulegen ist - ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hätte nach § 175 Satz 3 SGG an das SG gerichtet werden müssen - ist daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG), er kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs.2 Satz 3 SGG).
Fundstellen