Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Angebot einer anderen Tätigkeit durch Arbeitgeber. Nachholung unterbliebener ärztlicher Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit. Verweis auf Leistungen nach dem SGB 2
Orientierungssatz
1. Erst wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts seinem Arbeitnehmer in zulässiger Weise eine andere Tätigkeit anbietet, die der Versicherte im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand noch verrichten kann, liegt Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vor (vgl zB BSG vom 7.12.2004 - B 1 KR 5/03 R = BSGE 94, 19 = SozR 4-2500 § 44 Nr 3).
2. Ausnahmsweise unterbliebene ärztliche Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit können rückwirkend nachgeholt werden, wenn die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen ist (vgl BSG vom 5.5.2009 - B 1 KR 20/08 R = SozR 4-2500 § 192 Nr 4).
3. Der Verweis auf Leistungen nach dem SGB 2 ist bei einem GKV-Versicherten, der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes einen vorläufigen Krankengeldanspruch geltend macht, nicht sachgerecht.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 23. Mai 2011 aufgehoben und die Antragsgegnerin einstweilig verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 13. Mai 2011 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes streitig ein Anspruch des Antragstellers auf Fortzahlung von Krankengeld.
I.
Der Antragsteller war seit dem 12. Juli 2010 in seinem Beruf als Krankenpfleger in der Justizvollzugsanstalt M. arbeitsunfähig erkrankt und erhielt nach Ende der Entgeltfortzahlung durch seinen Arbeitgeber ab dem 23. August 2010 Krankengeld von der Antragsgegnerin. In der von der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C. ausgestellten Erstbescheinigung vom 12. Juli 2010 sowie in allen weiteren Folgebescheinigungen finden sich als Diagnosen eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (F 32.3) sowie eine nichtorganische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus (F 51.2). Die Antragsgegnerin holte mit Datum vom 23. August 2010 eine Arbeitsplatzbeschreibung der Justizvollzugsanstalt M. ein. Neben Angaben zum Arbeitsplatz des Antragstellers als Krankenpfleger hat der Arbeitgeber darin auf dem Vordruck der Antragsgegnerin angegeben, Wiedereingliederungsmaßnahmen sowie eine Arbeitsplatzumsetzung seien "jederzeit" möglich. Zudem beauftragte die Antragsgegnerin den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Bayern (MDK Bayern) mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage. In seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 13. Oktober 2010 stellte der MDK Bayern - entgegen den Feststellungen der behandelnden Ärztin - als Diagnose: "Anpassungsstörungen mit depressiver Episode und gestörtem Schlaf-Wach-Rhythmus". Als Diagnoseschlüssel wurde "F43" angegeben, das heißt Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Zur Beurteilung des Leistungsvermögens hat der MDK Bayern auf die Möglichkeit einer innerbetrieblichen Umsetzung verwiesen und ausgeführt, da die psychische Problematik engstens an den Konflikt am bisherigen Arbeitsplatz geknüpft sei, nicht aber an die Tätigkeit als solche, sei auch eine Verlängerung der AU-Periode jetzt nicht mehr nachvollziehbar, da eine Arbeitsunfähigkeit bereits seit dem 12. Juli 2010 bestehe. Eine Arbeitsfähigkeit sei damit wieder ab dem 8. November 2010 anzunehmen, "eventuell unter den Bedingungen des innerbetrieblichen Arbeitsplatzwechsels mit Zustimmung des Arbeitgebers".
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Hinweis auf die Feststellungen des MDK Bayern mit, die medizinischen Voraussetzungen für ein Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit seien nicht mehr gegeben. Das Krankengeld ende daher am 7. November 2010. Der vom Antragsteller daraufhin erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2010 zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin wiederholte darin die Ausführungen des MDK Bayern in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 13. Oktober 2010. Dagegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht München erhoben (Az. S 17 KR 33/11).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2011, eingegangen beim Sozialgericht am 13. Mai 2011, hat der Antragssteller beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Der Antragsteller hat vorgetragen, er sei auch nach dem 7. November 2010 aufgrund einer akuten Depression nicht arbeitsfähig gewesen. Er sei dringend auf die Zahlung des Krankengeldes angewiesen. Er habe inzwischen seine Ersparnisse aufgebraucht. Der Antragsteller legte eine Versicherung an Eides statt mit Datum vom 25. April 2011 vor, wonach er sich bereits bei Freunden und Verwandten Geld habe le...