Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankengeld. Vorrang vor einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II. keine Versagung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen eines Leistungsanspruchs nach dem SGB II. Vorliegen eines Anordnungsgrundes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Krankengeld geht einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II vor.

2. Eine Versagung des Krankengeldes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht damit begründet werden, dass wegen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB 2 dem Antragsteller kein wesentlicher Nachteil drohe.

 

Orientierungssatz

1. Im Verfahrung des einstweiligen Rechtsschutzes soll der Antragsteller vor vollendeten Tatsachen bewahrt werden, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann.

2. Zum Leitsatz 1 vgl LSG Schleswig vom 16.11.2012 - L 5 KR 182/12 B ER und vom 29.2.2012 - L 5 KR 23/12 B ER; LSG Celle-Bremen vom 27.7.2010 - L 1 KR 281/10 B ER; LSG Potsdam vom 19.9.2006 - L 9 B 343/06 KR ER und LSG München vom 11.8.2011 - L 5 KR 271/ 11 B ER.

 

Normenkette

SGB V § 44 Abs. 1 S. 1; SGB II § 5 Abs. 1 S. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 1

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 17. Dezember 2012 aufgehoben und die Antragsgegnerin einstweilig verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 1. Dezember 2012 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, solange die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen.

II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes liegt ein Streit zwischen den Beteiligten zugrunde über einen Anspruch des Antragstellers auf Fortzahlung von Krankengeld.

I.

Seit dem 12.10.2012 ist der Antragsteller wegen Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie einer nicht näher bezeichneten depressiven Episode arbeitsunfähig krank vor dem Hintergrund der psychosozialen Situation am vormaligen Arbeitsplatz (Mobbing). Die Arbeitsunfähigkeit wurde nachgewiesen durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. H. für den Zeitraum vom 12.10.2012 bis 03.12.2012 sowie durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie J. M. für den Zeitraum vom 03.12.2012 bis 20.12.2012 mittels Auszahlungsschein. Auch im Anschluss daran wurde fortlaufend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers, der bis dahin tätig war als Kraftfahrer bei der Firma G. Transport & Logistikservice, wurde mit Arbeitgeberkündigung vom 20.10.2012 beendet zum 30.11.2012.

Mit Bescheid vom 26.11.2012 stellte die Antragsgegnerin das Krankengeld zum 30.11.2012 ein. Die Antragsgegnerin begründete dies damit, dass der Antragsteller mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr der Mobbingsituation ausgesetzt sei und er die letzte oder eine ähnliche Tätigkeit durchaus wieder ausüben könne. Im Übrigen sei er ab 1.12.2012 arbeitslos und könne nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung auf alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen verwiesen werden, die ihm von Gesetzes wegen zumutbar sind. Der Beurteilungsmaßstab für die Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers ändere sich durch das Beschäftigungsende entscheidend. Es ändere sich sozusagen die Geschäftsgrundlage für den bisherigen Beurteilungsmaßstab. Dies liege daran, dass während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses die zuletzt konkret verrichtete Tätigkeit den Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit darstelle. Bei einem beendeten Beschäftigungsverhältnis mangele es an einem solchen konkreten Bezugspunkt. Arbeitsplatzprobleme, die gegebenenfalls Auslöser für eine Krankschreibung waren und bei einem neuen Arbeitgeber nicht anzutreffen seien, stünden einer Arbeitsaufnahme nicht entgegen. Eine weitere Krankschreibung über den 30.11.2012 hinaus bedürfe einer außerordentlichen schriftlichen medizinischen Begründung durch den behandelnden Facharzt, welcher anhand von aktuellen Befundberichten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nachvollziehbar mache, warum eine weitere Krankmeldung ausgestellt wird.

Dem widersprach der Antragsteller mit Schreiben vom 27.11.2012. Auf Anfrage der Antragsgegnerin führte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie J. M. mit Bescheinigung vom 04.12.2012 aus, dass der Antragsteller nach wie vor arbeitsunfähig sei wegen eines mittelgradig depressiven Bildes mit deutlichen Ängsten. Gegenwärtig traue sich der Patient nicht zu, einen PKW zu fahren. Mit Auszahlschein vom 03.12.2012 bescheinigte der Facharzt M. erneut Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.12.2012 aufgrund der Diagnose F 32.1.

Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme ein des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Datum 12.12.2012) ein, in der ausgeführt wurde, dass aufgrund fehlender nicht nachvollziehbarer medizinischer Unterlagen eine weitere Arbeitsunfähigkeit ab dem 01.12.2012 nicht dokumentiert sei. Die Behandlung könne auch arbeitsuchend und begleitend fortgeführt werden, z.B. bei Dr. M.. Die Ehefrau des Antragstellers wies die Antrag...

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