Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung: Ansprüche bei Kirchenasyl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei den Anspruchseinschränkungen nach § 1a Abs. 2 und Abs. 3 AsylbLG handelt es sich jeweils um Rechtsfolgen, die kraft Gesetzes eintreten, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Die Inanspruchnahme von Kirchenasyl ist ein selbst zu vertretendes Vollzugshindernis für aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG. Auch wenn keine rechtlichen Hindernisse für den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegeben sind, so besteht aufgrund der politischen Entscheidung zur Respektierung von Kirchenasyl ein faktisch bestehendes Vollzugshindernis.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 3. August 2016 wird als unbegründet zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, ohne Ratenzahlung bewilligt.

 

Gründe

Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von Leistungen gemäß § 3 AsylbLG ab 06.07.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung. Es ist zu entscheiden, ob wegen des noch offenen Widerspruchsverfahrens gegen einen zweiten Leistungseinschränkungsbescheid vom 01.07.2016 eine einstweilige Anordnung zu treffen ist.

Die 1983 geborene Antragstellerin ist ugandische Staatsangehörige. Sie reiste am 03.03.2011 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 23.03.2011 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Seit Juni 2011 bezieht sie Leistungen nach dem AsylbLG. Das Asylverfahren ist seit 28.02.2012 rechtskräftig negativ abgeschlossen, die Antragstellerin ist seitdem vollziehbar ausreisepflichtig und aufgrund fehlender Reisedokumente geduldet (Ablehnung des Asylantrags mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.09.2011 mit gleichzeitiger Abschiebungsandrohung und Gewährung einer Ausreisefrist von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung).

Mit Schreiben vom 11.12.2012 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur beabsichtigten Leistungseinschränkung gemäß § 1a AsylbLG an, da die Antragstellerin nicht mitwirke, fehlende Heimreisedokumente ausstellen zu lassen. Am 28.11.2012 beantragte die Antragstellerin bei der ugandischen Botschaft in Berlin einen Termin zur Beantragung eines ugandischen Passes.

Daraufhin wurde im Folgenden von einer Leistungseinschränkung abgesehen. Das Amtsgericht A-Stadt erließ im Folgenden einen Beschluss über Freiheitsentziehung zum Zwecke der Vorführung am 02.07.2014 bei der Botschaft der Republik Uganda in Berlin. Bei diesem Termin wurde die Antragstellerin identifiziert und die Ausstellung einer Citizen Verification zugesagt, welche in Verbindung mit einem EU-Standard-Reisedokument die Ausreise der Antragstellerin ermöglichen würde. Am 13. September 2014 begab sich die Antragstellerin ins Kirchenasyl im Kloster der M.-Schwestern in A-Stadt. Es wurde angegeben, dass die Antragstellerin die Zeit im Kirchenasyl nutzen werde, um die für ihre Eheschließung erforderlichen Dokumente einzuholen und überprüfen zu lassen. Im Folgenden wurde eine Bestätigung des Klosters vorgelegt, dass der Antragstellerin und ihrer Tochter Unterkunft einschließlich Nebenkosten unentgeltlich zur Verfügung gestellt würden. Alle weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs würden freiwillig von anderen Helfern übergangsweise gewährt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beantragte daraufhin die Auszahlung der Barleistungen an ihn. Die Antragsgegnerin erklärte daraufhin, dass davon ausgegangen werde, dass der Lebensunterhalt der Antragstellerin durch Dritte sichergestellt werde. Lediglich Leistungen bei Krankheit würden weiterhin erbracht.

Im Folgenden leistete die Antragsgegnerin ab 03.12.2014 vorläufig Leistungen nach dem AsylbLG ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Mit Schreiben vom 07.07.2015 wurde die Antragstellerin aufgefordert, das Kirchenasyl zu verlassen und sich in die ihr zugewiesene Gemeinschaftsunterkunft zu begeben. Sollte sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, sei eine Einschränkung der Leistungen gemäß § 1a AsylbLG beabsichtigt. Am 02.12.2015 wurde die Antragstellerin aufgefordert, der Ausreiseaufforderung bis zum 31.12.2015 nachzukommen. Die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland und die Rückkehr in das Heimatland der Antragstellerin seien durch die Ausstellung der Citizen Verification möglich. Die angeführte Eheschließung sei nicht konkretisiert worden und es sei nicht nachgewiesen, dass diese unmittelbar bevorstehe. Eine Absenkung der Leistungen nach § 1a AsylbLG wurde angedroht.

Mit Bescheid vom 04.01.2016 wurde der Leistungsanspruch ab dem 01.01.2016 bis zum 30.06.2016 gem. § 1 a AsylbLG eingeschränkt und ihr lediglich Geldleistungen i. H. v. 151,11 € für ihre Bedarfe für Ernährung und Körper- und Gesundheitspflege gewährt. Der Widerspruch hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2016 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 14.04.2016 wurden Leistungen nach § 3...

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