Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nach ergangenem Gerichtsbescheid, wenn zugleich beim Beschwerdegericht mündliche Verhandlung beantragt wird.

 

Orientierungssatz

1. Die gesetzlichen Regelungen des § 105 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 SGG, wonach die (beantragte) mündliche Verhandlung grundsätzlich gegenüber dem ebenfalls eingelegten Rechtsmittel Vorrang hat und der Gerichtsbescheid als Folge des Antrags auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen gilt, greifen nicht ein bei Stellung des Antrags auf mündliche Verhandlung beim Beschwerdegericht.

2. Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist nur form- und fristgerecht erhoben, wenn er innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids bei dem Gericht eingelegt wird, das den Gerichtsbescheid erlassen hat.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.04.2020, S 4 SO 208/19, wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Zahlungen i.H.v. 10.- € täglich strittig, die der Kläger während einer 3-wöchigen Reha leisten musste, insgesamt somit ein Betrag von 210 €.

Der 1955 geborene und auf Dauer voll erwerbsgeminderte Kläger bezieht vom Beklagten seit dem Jahr 2017 aufstockende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII).

Der Kläger beantragte im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 14.11.2018 die Übernahme einer Zuzahlung von 10,00 € pro Tag, die er im Rahmen einer dreiwöchigen medizinischen stationären Rehabilitationsmaßnahme aufbringen musste. Kostenträger war die Deutsche Rentenversicherung Bund.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.12.2018 den Antrag des Klägers ab, da die Kosten für die Zuzahlungen nicht erstattungsfähig seien. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10.01.2019 Widerspruch ein. Beigefügt war ein Informationsschreiben, wonach eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht bei Bezug von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII auf Antrag gewährt wird. Nach den Ermittlungen des Beklagten im Widerspruchsverfahren kann sich der Kläger auf Antrag von den Zuzahlungen befreien lassen, da sein Einkommen unter 1.247,00 € monatlich liegt. Damit fallen keine Zuzahlungsgebühren an. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2019 wies die Regierung von Mittelfranken (u.a.) den Widerspruch zurück.

Am 24.11.2019 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.

Mit Beschluss vom 24.03.2020 hat das SG vom vorliegenden Klageverfahren zwei weiteren Klageverfahren hinsichtlich einer Ablehnungsentscheidung des Beklagten über die Gewährung eines Vorschusses bzw. eines Darlehens i.H.v. 200.- € sowie einer ablehnenden Entscheidung des Beklagten über die Übernahme von (weiteren) Kosten aus der Abschlussrechnung des vormaligen Stromversorgers des Klägers abgetrennt.

Das SG hat den Kläger mit Schreiben vom 06.04.2020 gebeten mitzuteilen, ob sich die Klage hinsichtlich seiner Zuzahlung zum Reha-Aufenthalt erledigt habe. Die Klage habe aber unabhängig davon aus rechtlichen Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Mit Schreiben vom 20.04.2020 hat der Kläger unter Bezugnahme auf das gerichtliche Schreiben erklärt, dass er seine Klage nicht zurücknehmen werde.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.04.2020 hat das SG die Klage auf Verurteilung des Beklagten zur Erstattung von Kosten für den Eigenanteil für eine dreiwöchige medizinische Rehabilitationsmaßnahme mit à 10,00 € täglich unter Aufhebung seines Bescheides vom 10.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2019 abgewiesen. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 02.05.2020 zugestellt.

Daraufhin hat der Kläger am Freitag, dem 29.05.2020, beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) per Fax "sowohl Antrag auf mündliche Verhandlung" gestellt "als auch Beschwerde" eingelegt.

Mit Beschluss vom 02.07.2020 hat der Senat die Selbstablehnung der Richterin am LSG Dr. N. wegen Besorgnis der Befangenheit für begründet erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des SG vom 24.04.2020 durch Beschluss (§ 145 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

1. Die Beschwerde wurde form- und fristgemäß eingelegt (§ 145 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

a. Die Beschwerde ist nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger in seiner Beschwerdeschrift vom 29.05.2020 zugleich Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat.

Nach § 105 Abs. 2 S. 1 SGG können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kan...

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