Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung. Antragsbefugnis. Defensive Konkurrentenklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Während bei einer offensiven Konkurrentenklage die Antragsbefugnis allein aus der Grundrechtsbetroffenheit eines jeden abgelehnten Bewerbers resultiert, kann bei einer defensiven Konkurrentenklage eine Anfechtungsbefugnis nicht aus materiellen Grundrechten abgeleitet werden.

2. Eine Abwehrbefugnis gegenüber einem Konkurrenten lässt sich nur aus einschlägigen einfachrechtlichen Bestimmungen herleiten, denen auch ein Gebot zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer zu entnehmen sind, also drittschützende Wirkung haben.

3. Im Vertragsarztrecht ist bei einer defensiven Konkurrentenklage eine Antragsbefugnis nur dann zu bejahen, wenn zum einen der Status des anfechtenden Vertragsarztes Vorrang vor demjenigen des durch den Verwaltungsakt begünstigten Arztes hat, und zum anderen, wenn der Anfechtende im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen wie der von dem angefochtenen Verwaltungsakt Begünstigte anbietet.

4. Allein die Tatsache, dass der anfechtende Arzt bereits seit langem eine Zulassung als Vertragsarzt innehat, reicht dazu nicht aus.

 

Normenkette

SGG § 54; GG Art. 3, 12, 14, 19 Abs. 4

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17.04.2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Zulassung des Beigeladenen zu 8., Dr. B., Urologe, als Vertragsarzt. Der Beschwerdeführer hat dagegen Widerspruch eingelegt und verlangt, durch einstweilige Anordnung die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs bzw. der zwischenzeitlich erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen.

Mit Beschluss vom 13.09.2006 ließ der Zulassungsausschuss den Beigeladenen zu 8. Dr. B. als Vertragsarzt in N. zu. Der seit langem ebenfalls in N. als Urologe zugelassene Beschwerdeführer ließ dagegen durch seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 13.10.2006 Widerspruch einlegen. Zur Begründung wurde angegeben, die angegriffene Zulassung verletze den Beschwerdeführer in seiner Berufsfreiheit. Es bestehe in dem fraglichen Bezirk eine Überversorgung; die angeordnete Teilentsperrung sei rechtswidrig. Es bleibe daher bei der Zulassungsbeschränkung, der Beschluss über die Zulassung des Beigeladenen zu 8. sei ebenfalls rechtswidrig. Der Widerspruchführer habe auch ein Rechtsschutzbedürfnis für seinen Widerspruch. Die umstrittene Zulassung sei für ihn existenzbedrohend. Dies ergebe sich aus den Aufstellungen über die Ermittlung seiner jeweiligen Gewinne der Jahre 2000 bis 2006; daraus werde ersichtlich, dass der Widerspruchsführer bei weiteren Eingriffen in seine Tätigkeit Verluste produzieren würde. Die Begründetheit des Widerspruchs ergebe sich daraus, dass die der teilweisen Entsperrung des Bezirks zugrundegelegten Zahlen fehlerhaft ermittelt worden seien.

Der Beigeladene zu 8. trägt dazu vor, selbst wenn die Teilentsperrung nach den Maßstäben des § 101 SGB V rechtswidrig gewesen wäre, so fehlte es doch an einer Verletzung eines Rechts des Widerspruchsführers. Die Bedarfsplanung diene nicht der Existenzsicherung der niedergelassenen Vertragsärzte. Sofern bei gesperrten Planungsbereichen weitere Zulassungen verhindert würden, erfolge dies aus objektiven Gründen; der daraus resultierende Schutz des einzelnen niedergelassenen Arztes sei lediglich Reflexwirkung. Dies gehe auch klar aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.08.2004 - 1 BvR 378/00 - [= Breithaupt 2005, 177 ff.] hervor. Auch die bei der Entscheidung über die teilweise Entsperrung zugrundegelegten Zahlen entsprächen im Übrigen den gesetzlichen Vorgaben.

Demgegenüber meint der Beschwerdeführer, der Widerspruch sei zulässig. Dies ergebe sich ohne weiteres aus der vom Beigeladenen zu 8. vorgelegten Entscheidung des BVerfG (1 BvR 378/00). Denn dort heiße es u.a.: "Bei einem regulierten Marktzugang können auch Einzelentscheidungen, die das erzielbare Entgelt beeinflussen, die Freiheit der Berufsausübung beeinträchtigen. Solche Eingriffe sind mit Art. 12 Abs. 1 vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden. Diese Voraussetzungen müssen wegen ihrer Grundrechtsrelevanz gerichtlicher Nachprüfung unterliegen. Zwar gewährt Art. 12 Abs. 1 keinen Schutz vor Konkurrenz. Die Vertragsärzte haben aufgrund ihres Zulassungsstatus auch keinen Rechtsanspruch auf die Sicherung einer wirtschaftlich ungefährdeten Tätigkeit. Die Wettbewerbsposition und die Erträge unterliegen grundsätzlich dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen. Eine Veränderung durch Einzelakt, die erhebliche Konkurrenznachteile zur Folge hat, kann aber das Grundrecht der Berufsfreiheit beeinträchtigen, wenn sie im Zusammenhang mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel steht. Eine solche Situation ist im System des Vertragsarztrechts, insbesondere wegen der Zulassungsbeschränkungen und Deckelung der Gesamtvergütung gegeben."

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