Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Voraussetzungen für Drittanfechtung im Vertragsarztrecht. Nichtberücksichtigung von kommunalen Statistiken bei der Bedarfsplanung
Orientierungssatz
1. Eine Berechtigung zur Drittanfechtung im Bereich des Vertragsarztrechts besteht nur dann, wenn der klagende Vertragsarzt und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten und dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird, sowie der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist (vgl BSG vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R = BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10 und BVerfG vom 23.4.2009 - 1 BvR 3405/08 = GesR 2009, 376).
2. Statistiken, die von Gemeinden oder Gemeindeverbänden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben durchgeführt werden, sind im Rahmen der Bedarfsplanung nicht zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. September 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 7. hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich im Wege der defensiven Konkurrentenklage gegen die Zulassung des Beigeladenen zu 7.
Der Kläger ist seit 1985 in A-Stadt als Urologe vertragsärztlich zugelassen (Einzelpraxis).
Der Planungsbereich Landkreis A-Stadt in der Oberpfalz war vormals für Neuzulassungen in der Arztgruppe der Urologen gesperrt gewesen. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern beschloss am 18. Januar 2006 eine Entsperrung, weil nach den aktuellen statistischen Daten nur noch ein Versorgungsgrad von 108,3 % bestand und damit die Grenze für eine Sperrung des Planungsbereiches wegen Überversorgung von 110 % unterschritten war.
In seiner Sitzung am 13. September 2006 erteilte der Zulassungsausschuss dem Beigeladenen zu 7. eine Zulassung als Urologe und genehmigte gleichzeitig eine Gemeinschaftspraxis mit dem Beigeladenen zu 8., der ebenfalls in A-Stadt/Opf. als Urologe vertragsärztlich tätig ist.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, dass die Zulassung ihn in seiner Berufsfreiheit verletze, weil weiterhin eine Überversorgung im Planungsbereich bestehe. Grund für das Absinken des Versorgungsgrad sei nicht das Freiwerden eines Arztsitzes, sondern eine Veränderung in den Einwohnerzahlen nach den Daten des Statistischen Landesamtes. Die statistischen Daten des Landesamtes seien unzutreffend. Nach den (vorgelegten) Bestätigungen der einzelnen Gemeinden sei die Einwohnerzahl niedriger. Diese seien zu Grunde zu legen.
In seiner Sitzung am 5. Dezember 2006 fasste der Berufungsausschuss den Beschluss, den Widerspruch zurückzuweisen und die sofortige Vollziehung des Ausgangsbescheids anzuordnen. Der Beschluss des Berufungsausschusses wurde am 31. Januar 2007 ausgefertigt.
Der Widerspruch sei unzulässig. Der Widerspruchsführer habe keine Anfechtungsberechtigung. Denn die Bedarfsplanung diene allein der Wirtschaftlichkeit und der Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, nicht aber dem subjektiven Interesse des Widerspruchsführers an Schutz vor Konkurrenz.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben und gleichzeitig die Aufhebung des Sofortvollzuges begehrt. Das Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes ist durch Beschluss des Senates vom 13. September 2007 (L 12 B 494/07 KA ER) beendet worden. Der Senat hat den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts vom 17. Apr. 2007 bestätigt.
Mit Urteil vom 30. September 2008 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht verneint, gestützt auf den Beschluss vom 13. September 2007, die Anfechtungsbefugnis des Klägers.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayerischen Landessozialgericht. Er hält an seiner Rechtsauffassung fest. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. August 2004 (1 BvR 378/00) wird gestützt auf Art.12 GG ein Anfechtungsrecht bejaht, weil bei einem regulierten Marktzugang jede Entscheidung, die das erzielbare Entgelt beeinflusse, die Freiheit der Berufsausübung beeinträchtigen könne. Eine Wettbewerbsveränderung durch Einzelakt, die erhebliche Konkurrenznachteile zur Folge habe, könne das Grundrecht der Berufsfreiheit beeinträchtigen, wenn sie im Zusammenhang mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel stehe (BVerfGE 82, 209, 224). In einem System der begrenzten Gesamtvergütung und der beschränkten Niederlassung ergebe sich die Anfechtungsberechtigung bereits aus der zeitlich früheren Niederlassung, weil die Bedarfsplanung die Zulassung anderer Ärzte nur erlaube, wenn ein entsprechender Bedarf vorhanden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. September 2008 sowie den Bescheid des Berufungsa...