Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung und Anhörungsrüge. Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs gegen einen Richter nach Abschluss der Instanz
Leitsatz (amtlich)
1. Nach vollständigem Abschluss der Instanz (hier Beschwerdeverfahren) ist das Ablehnungsgesuch gegen einen an der Entscheidung beteiligten Richter unzulässig.
2. Das Ablehnungsgesuch wird nicht dadurch zulässig, dass es mit einer unzulässigen Anhörungsrüge verbunden wird, die auf eine Selbstkorrektur der Entscheidung durch den erkennenden Senat abzielt.
Tenor
Der Antrag auf Ablehnung von Dr. X. wegen Besorgnis der Befangenheit wird verworfen.
Gründe
I.
Der Kläger und Antragsteller (ASt.) hatte sich im Beschwerdeverfahren unter dem Az. L 2 AS 599/16 B gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Würzburg (SG) vom 05.08.2016 gewandt. Das SG hatte gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,- Euro verhängt, weil er trotz ordnungsgemäßer Ladung unter Anordnung des persönlichen Erscheinens zu den gerichtlichen Terminen am 30.05.2016 und 15.06.2016 unentschuldigt nicht erschienen war.
Mit Beschluss vom 30.09.2016, dem ASt. zugestellt am 18.10.2016, hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 27.10.2016, beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingegangen am 28.10.2016, hat sich der ASt. gegen den Beschluss mit "Widerspruch" gewandt und zugleich den Vorsitzenden Richter Dr. X. wegen Befangenheit abgelehnt. Der ASt. hat vorgetragen, er sei wegen seiner herausgesprungenen Kniescheibe terminunfähig gewesen, das Gericht habe noch am gleichen Tag das Attest erhalten und er selbst habe alles zeitnah und richtig gemacht. Die Krankmeldung als nicht rechtzeitig zu titulieren, sei reine Willkür. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben des ASt. vom 27.10.2016 und das seiner Partnerin vom 27.10.2016 Bezug genommen.
Die dienstliche Stellungnahme von Dr. X. vom 17.11.2016 wurde dem ASt. mit Schreiben vom 21.11.2016 übersandt und Gelegenheit zur Stellungnahme bis 06.12.2016 gegeben.
II.
Das Ablehnungsgesuch ist bereits unzulässig.
Denn das Beschwerdeverfahren des ASt. gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts war bereits mit Beschluss des LSG vom 30.09.2016, laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 18.10.2016, rechtskräftig. Damit war das Beschwerdeverfahren vollständig abgeschlossen. Ein weiteres Rechtsmittel gegen den Beschluss des SG oder den Beschluss des LSG gibt es nicht.
Nach vollständigem Abschluss der Instanz ist ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) jedoch unzulässig (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 02.05.2007 - 2 BvR 2655/06 - Juris RdNr. 13; BVerfG Kammerbeschluss vom 28.04.2011 - 1 BvR 2411/10 - Juris RdNr. 23; BGH Beschluss vom 24.01.2012 - 4 StR 469/11 - Juris RdNr. 8; BGH Beschluss vom 11.07.2007 - IV ZB 38/06 - Juris RdNr. 5; BayVGH Beschluss vom 07.11.2016 - 10 BV 16.962 - Juris RdNr. 6; VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 08.06.2016 1 - S 783/16 - Juris RdNr. 4).
Die Zulässigkeit des Befangenheitsgesuchs kann auch nicht auf eine zugleich erhobene Anhörungsrüge im Sinne von § 178a SGG gestützt werden. Denn eine Anhörungsrüge ist kein Rechtsmittel und zielt auf die Selbstkorrektur einer Entscheidung durch den entscheidenden Senat ab (vgl. hierzu BSG Beschluss vom 25.02.2010 - B 11 AL 22/09 C; BSG Beschluss vom 07.01.2016 - B 9 V 4/15 C, beide veröffentlicht in Juris). Der ASt. hat aber deutlich gemacht, dass er keine Entscheidung durch den zuständigen Senat einschließlich des zuständigen Vorsitzenden wünscht. Außerdem hat der ASt. nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das LSG einen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, was Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Anhörungsrüge ist (vgl. § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG i.V.m. § 178 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG; vgl. BSG Beschluss vom 25.02.2010 - B 11 AL 22/09 C - Juris RdNr. 10). Die Kritik des ASt. erschöpft sich in der Wiederholung seiner Argumente gegen das verhängte Ordnungsgeld, die im Senatsbeschluss vom 30.09.2016 bereits berücksichtigt wurden. Eine unzulässige Anhörungsrüge vermag aber keine Zulässigkeit für ein Ablehnungsgesuch zu eröffnen (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 24.01.2012 - 4 StR 469/11 - Juris RdNr. 13 ff.; ferner BayVGH Beschluss vom 07.11.2016 - 10 BV 16.952 und VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 08.06.2016 - 1 S 783/16, bei veröffentlicht in Juris).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der ASt. auch keinen Grund vorgetragen hat, der aus Sicht einer vernünftigen Partei Zweifel an der Unvoreingenommenheit und an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden begründen könnte. Der ASt. schließt allein aus der Tatsache, dass seine Beschwerde keinen Erfolg hatte, auf eine Befangenheit des Vorsitzenden. Die Gründe dafür wurden aber in der Begründung des Beschlusses vom 30.09.2016 ausführlich dargelegt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI10332367 |