Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Ersatzweise Festsetzung von Ordnungshaft bei unentschuldigtem Nichterscheinen eines Beteiligten zu einem gerichtlichen Termin
Leitsatz (amtlich)
Einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen zu einem gerichtlichen Termin angeordnet worden ist, kann das Gericht bei unentschuldigtem Nichterscheinen Ordnungsgeld wie einem Zeugen auferlegen, aber nicht ersatzweise Ordnungshaft festsetzen. Das Gesetz sieht eine ersatzweise Festsetzung von Ordnungshaft nur bei unentschuldigtem Nichterscheinen eines ordnungsgemäß geladenen Zeugen vor.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hin wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 15.11.2017 aufgehoben, soweit ersatzweise Ordnungshaft von zwei Tagen festgesetzt worden ist.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer (im Folgenden Bf.) wendet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld wegen Nichterscheinens in der nichtöffentlichen Sitzung am 15.11.2017.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) unter dem Az. S 14 R 713/17 wendet sich der Bf. dagegen, dass der beklagte Rentenversicherungsträger seinen Widerspruch gegen die Ablehnung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation wegen Versäumens der Widerspruchsfrist als unzulässig zurückgewiesen hat.
Die Ladung vom 18.10.2017 zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 15.11.2017 um 8:45 Uhr unter Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf. ging diesem laut Postzustellungsurkunde (PZU) am 19.10.2017 zu. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die vom SG übermittelte Ladungsschrift vom 18.10.2017 Bezug genommen.
Der Bf. erschien zum Termin am 15.11.2017 nicht. Der Vorsitzende verhängte mit Beschluss im Termin wegen unentschuldigten Ausbleibens ein Ordnungsgeld gegen den Bf. in Höhe von 300,- € und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft von zwei Tagen. Der Kläger sei laut PZU ordnungsgemäß geladen worden unter Anordnung des persönlichen Erscheinens und unter Hinweis auf die Folgen eines etwaigen Nichterscheinens. Dennoch sei der Bf. zum Termin unentschuldigt nicht erschienen.
Der Ordnungsgeldbeschluss wurde dem Bf. laut PZU am 18.11.2017 zugestellt.
Am 28.11.2017 ging beim SG ein Schreiben des Klägers ein, mit dem er sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld wandte. Er habe die "Postzustellungsurkunde vom 19.10.2017" nie erhalten und habe nicht gewusst, dass ein Termin zum 15.11.2017 festgesetzt worden sei. Somit habe er nicht zum Termin persönlich erscheinen können. Klage sei eingereicht worden, um einen Gerichtstermin zu erhalten. Warum solle er also nicht vor Gericht erscheinen. Das Schreiben wurde vom SG als Beschwerde an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet.
Das LSG wies mit Schreiben vom 14.12.2017 auf die Beweiskraft der PZU hin, dass bloßes Bestreiten, die Ladung erhalten zu haben, diese nicht entkräften könne und gab dem Bf. Gelegenheit, falls möglich weitere Gründe vorzutragen, die für die Fehlerhaftigkeit der Urkunde sprechen würden. Daraufhin bekräftigte der Bf., die Ladung nicht erhalten zu haben. Beweise könne er hierzu nicht vorbringen. Er fragte nochmals, warum er Klage einreichen und dann nicht zu dem Termin erscheinen sollte. Er bat um Rückzug des Bußgeldes, da kein Fehlverhalten vorliege.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (vgl. §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erweist sich als begründet, soweit das SG ersatzweise Ordnungshaft von zwei Tagen gegen den Bf. angeordnet hat. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem gerichtlichen Termin angeordnet werden und ein Beteiligter, der der Anordnung nicht Folge leistet, kann gemäß § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden.
Die ersatzweise Festsetzung von Ordnungshaft für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, wie es § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO für das unentschuldigte Ausbleiben eines ordnungsgemäß geladenen Zeugen vorschreibt, ermöglicht § 141 ZPO bei Ausbleiben eines Beteiligten dagegen nicht (h.M., vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.10.2008 - L 5 B 1180/08 AS; Bayerisches LSG, Beschluss vom 17.09.2009 - L 2 R 77/09 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.02.2012 - L 2 AS 474/11 B; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2005 - 2 WF 191/05; OLG Köln, Beschluss vom 24.09.1992 - 7 W 30/92 - alle veröffentlicht in Juris; Stadler, in: Musielak/ Voit, Kommentar zur ZPO, 14. Auflage 2017, zu § 141 RdNr. 12; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Kommentar zur ZPO, 75. Auflage 2017, zu § 141 RdNr. 39, Reichold, in: Thomas / Putzo, Kommentar zur ZPO, 37. Auflage 2016, zu § 141 RdNr. 5).
§ 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO in der vor dem 01.01.1975 geltenden Fassung regelte ausdrücklich, dass g...