Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Eilverfahren. Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage. Folgenabwägung. Wegfall des Arbeitslosengeld II. Verletzung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung. Nachweis von Eigenbemühungen bzw Bewerbungen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs erfasst bei zwischenzeitlich ergangenem Widerspruchsbescheid zugleich jenen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der später erhobenen Klage.
2. Bei der Abwägung in Anfechtungssachen sind wegen der verfassungsrechtlich fundierten Sicherungs- und Rechtsschutzfunktion des Eilverfahrens grundsätzlich die Abwägungselemente des prospektiven Hauptsacheerfolgs und der ohne Eilrechtsschutz drohenden Rechtsverletzungen zu beachten.
3. Die Gewichtung der Abwägungselemente hängt unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG vom Rechtsschutzziel ab. Je schwerer die drohende Rechtsverletzung ist, umso höher sind die Anforderungen an die Genauigkeit der Prognose des Hauptsacheerfolgs zu stellen, um auf diesen Abwägungsbelang eine Ablehnung des Eilantrags zu stützen. Je schwerer umgekehrt die drohende Rechtsverletzung ist, um so geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Hauptsacheerfolgs und der drohenden Rechtsverletzungen zu stellen (vgl BVerfG vom 29.7.2003 - 2 BvR 311/03 = DVBl 2003, 1524, vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 = Breith 2005, 803, vom 6.2.2007 - 1 BvR 3101/06 und vom 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 = SuP 2009, 235).
4. Ist die Absenkung der Regelleistung auf Null mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtswidrig, wiegen die sonstigen Abwägungsbelange nicht schwer genug, um dem Eilantrag zum Erfolg zu verhelfen, und führt auch die Folgenabwägung iS der Doppelhypotheseprüfung (vgl dazu BVerfG vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02 = NJW 2003, 1236) zu keinem anderen Ergebnis, hat der Eilantrag trotz der mit der verhängten Sanktion verbundenen schweren Beeinträchtigungen des Antragstellers keinen Erfolg.
5. Bei der im Rahmen einer offenen Eilentscheidung vorzunehmenden Abwägung ist weder von einer gesetzlich vorgegebenen Vermutung für oder gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im konkreten Einzelfall noch von einem materiellen, sich in der Einzelfallbewertung niederschlagenden materiellen Verteilungsprinzip des Gesetzes auszugehen.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 19.03.2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Sanktionsentscheidung der Antragsgegnerin (Absenkung einer bewilligten Leistung für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis 30.06.2009) anzuordnen ist.
Des Weiteren ist inzwischen ein Klageverfahren unter dem Az.: S 1 AS 507/09 beim Sozialgericht Augsburg (SG) anhängig.
Der 1978 geborene Antragsteller bezieht seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - SGB - II. Die Leistungen waren bereits mit Bescheiden vom 24.01.2008, 20.02.2008, 22.10.2008, 20.11.2008 und 12.12.2008 wegen Fehlverhaltens des Antragstellers im Sinne von § 31 SGB II abgesenkt worden (vgl. dazu Widerspruchsbescheid vom 31.03.2009). Ferner sind wegen des Verhaltens des Antragstellers für Bewerbungen seit Januar 2008 höhere Nachweisanforderungen geregelt. Die Festlegung der Pflichten des Antragstellers erfolgt gemäß § 15 Abs.1 S. 6 SGB II durch Verwaltungsakt. Auch die mit Bescheid vom 28.10.2008 für den Zeitraum vom 28.10.2008 bis 27.04.2009 getroffene Eingliederungsregelung erfolgte durch Verwaltungsakt mit Rechtsfolgenbelehrung unter Hinweis auf die Folgen einer Sanktion gemäß § 31 SGB II. Die Antragsgegnerin bot in diesem Bescheid eine Qualifizierungsmaßnahme "Handwerk aktiv" für die Zeit vom 03.11.2008 bis 02.07.2009 bei der K. e.V. A. für Eigenversorgung in A-Stadt an und regelte für den Fall der Nichtteilnahme, dass mindestens monatlich acht Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse jeweils zum 5. des Folgemonats vorzulegen seien mit Kopie des Bewerbungsschreibens und des Antwortschreibens des Arbeitgebers. Die bloße Vorlage einer Liste über Eigenbemühungen sei nicht ausreichend. Die genannte Maßnahme trat der Antragsteller nicht an. Er legte für Januar 2009 nur eine Liste über angegebene Eigenbemühungen vor.
Mit Bescheid vom 06.03.2009 senkte die Antragsgegnerin die Leistungen für die Zeit vom 01.04.2009 bis 30.06.2009 wegen Nichterfüllung der Pflichten aus der Eingliederungsregelung vom 28.10.2008 auf Null ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31.03.2009). Die dagegen erhobene Klage ist beim SG unter dem Az. S 1 AS 507/09 anhängig.
Am 13.03.2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Augsburg - SG - beantragt, die Absenkung aus dem Bescheid vom 06.03.2009 auszusetzen.
Mit Beschluss vom 19.03....