Leitsatz (amtlich)

Eine so genannte fiktive Terminsgebühr nach Nummer 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV RVG (nach angenommenem Anerkenntnis) kann in Verfahren ohne obligatorische mündliche Verhandlung vor allem in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von vornherein nicht entstehen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 19. März 2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.

Der Beschwerdeführer vertrat die damaligen Antragstellerinnen in einem grundsicherungsrechtlichen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Augsburg (S 9 AS 1055/11 ER). Diesen war Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet worden. Etwa zehn Tage nach Anhängigwerden des Eilverfahrens (Antragseingang bei Gericht am 15.09.2011) erließ die beklagte Behörde einen Bescheid, der dem Begehren der Antragstellerinnen abhalf. Daraufhin erklärte der Beschwerdeführer das Verfahren für erledigt (am 12.10.2011).

In seinem Antrag auf Vergütungsfestsetzung vom 29.11.2011 setze der Beschwerdeführer eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr (325 EUR gemäß Nr. 3102 VV RVG einschließlich Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG) sowie eine Terminsgebühr von 100 EUR auf der Grundlage von Nr. 3106 VV RVG an. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle billigte in der Kostenfestsetzung vom 24.01.2012 jedoch lediglich eine Verfahrensgebühr von 162,50 EUR (einschließlich Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG) zu und verweigerte eine Terminsgebühr.

Die dagegen eingelegte Erinnerung hat die Kostenrichterin beim Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 19.03.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Die Urkundsbeamtin, so die Kostenrichterin zur Begründung, habe die Verfahrensgebühr zutreffend festgesetzt. Denn Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als unterdurchschnittlich einzustufen, ebenso die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerinnen. Lediglich die Bedeutung der Streitsache für diese sei als durchschnittlich zu werten. Eine so genannte fiktive Terminsgebühr, so die Kostenrichterin weiter, sei nicht angefallen, weil für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß dem Senatsbeschluss vom 26.08.2009 - L 15 B 950/06 AS KO lägen nicht vor.

Mit der dagegen am 27.03.2012 eingelegten Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer sein im Vergütungsfestsetzungsantrag formuliertes Ziel weiter.

Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts S 9 AS 1055/11 ER beigezogen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren umfasst die Höhe der Verfahrensgebühr sowie die beanspruchte Terminsgebühr für das Antragsverfahren S 9 AS 1055/11 ER (einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer).

a) Die Verfahrensgebühr haben die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und die Kostenrichterin in zutreffender Höhe festgesetzt. Der Senat macht sich insoweit die Begründung, welche die Kostenrichterin gegeben hat, zu Eigen. Des Weiteren verweist er auf seinen aktuellen Beschluss vom 03.05.2013 - L 15 SF 80/12, wo er dargestellt hat, dass sich auch Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGB II im Hinblick auf ihre vergütungsrechtliche "Wertigkeit" an der gesamten Bandbreite möglicher sozialgerichtlicher Streitgegenstände messen lassen müssen. Dieser Maßstab führt im vorliegenden Fall dazu, dass die richtige Verfahrensgebühr sehr deutlich unterhalb der "Mitte" liegt, und zwar in einem so niedrigen Bereich, dass die vom Beschwerdeführer veranschlagte Gebühr von 325 EUR nicht mehr billigem Ermessen entspricht und damit für die Staatskasse nicht verbindlich ist (vgl. dazu, insbesondere zur 20-prozentigen Toleranzgrenze, Senatsbeschluss vom 21.03.2011 - L 15 SF 204/09 B E m.w.N.).

b) Dem Beschwerdeführer steht eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG nicht zu. Denn ein Termin im Sinn von Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG hat nicht stattgefunden und einer der Tatbestände, die eine fiktive Terminsgebühr auslösen, liegt nicht vor.

Der Senat unterstellt im Folgenden, dass überhaupt ein angenommenes Anerkenntnis vorliegt; das erscheint hier keineswegs unproblematisch (vgl. dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 06.09.2012 - L 15 SF 384/11 B E). Gleichwohl ist der Entstehungstatbestand nach Nummer 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV RVG nicht erfüllt. Denn dieser Fall einer fiktiven Terminsgebühr liegt nicht vor.

Vorab muss ein Missverständnis ausgeräumt werden, zu dessen Entstehung auch der von allen Seiten thematisierte Senatsbeschluss vom 26.08.2009 - L 15 B 950/06 AS KO beigetragen hat. Es muss strikt unterschieden werden zwischen den drei verschiedenen Arten von Gebühren auslösenden Terminen, die in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG genannt sind, und d...

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