Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug einer Zulassungsentziehung. Vorwurf der sexuellen Belästigung von Patientinnen. Vertragsärztliche Tätigkeit. Zulassungsausschuss. Berufungsausschuss. Grundrechtsverletzungen. Gröbliche Pflichtverletzungen. Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen. Vorläufiges Berufsverbot. Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren
Leitsatz (redaktionell)
Die Anordnung des Sofortvollzugs der Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung kommt einem vorläufigen Berufsverbot gleich und ist daher an den Grundsätzen über die Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Entscheidend ist daher, ob der Sofortvollzug einer Zulassungsentziehung als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist.
Normenkette
SGB V § 95 Abs. 6 S. 1; SGB § 97 Abs. 4; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14, 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17.12.2007 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer streitet im Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug seiner Zulassungsentziehung. Dem liegt der Vorwurf zugrunde, der Antragsteller habe in seiner Praxis eine große Zahl junger und jugendlicher Patientinnen sexuell belästigt.
Im Sommer 2006 waren gegen den Beschwerdeführer aufgrund von Strafanzeigen polizeiliche Ermittlungen u.a. wegen sexueller Nötigungen von Patientinnen durchgeführt worden. Am 28.11.2006 hatte daraufhin das Amtsgericht R. einen Haftbefehl erlassen und Untersuchungshaft angeordnet; am 30.11.2006 war der Haftbefehl jedoch unter Auflagen außer Vollzug gesetzt und am 06.12.2006 schließlich aufgehoben worden. Auch die zugrunde liegende Anklageschrift ist sodann von der Staatsanwaltschaft zurückgezogen worden.
Gestützt auf die dabei zugrunde liegenden Informationen hat der Zulassungsausschuss mit Schreiben vom 05.02.2007 dem Antragsteller und Beschwerdeführer mitgeteilt, er prüfe, ob dieser weiterhin für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geeignet sei. Nach Eingang einer Stellungnahme des Bevollmächtigten des Antragstellers hat ihm der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 18.04.2007 die Zulassung als Vertragsarzt entzogen und den sofortigen Vollzug dieser Entziehung angeordnet.
Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 18.04.2007 gibt in der Begründung dreizehn Schilderungen von früheren Patientinnen des Beschwerdeführers aus den polizeilichen Vernehmungen wieder - darunter fünf von in Heroin-Substitutionsbehandlung gewesenen Patientinnen -, die sexuelle Belästigungen vorbringen, und erwähnt sodann, dass es noch weitere 28 ähnliche, in den polizeilichen Ermittlungsakten dokumentierte Fälle gebe. Die geschilderten Vorgänge erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa sieben Jahren, mehrere der Patientinnen waren seinerzeit minderjährig.
Mit Schriftsatz vom 16.04.2007 hatte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im Strafverfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft R. ausführlich vorgetragen, dass die Aussagen der Zeuginnen sämtlich falsch seien; die Motive dafür lägen zum Teil darin, dass die Zeuginnen sich damit bei der Polizei nützlich machen wollten, weil sie sich dadurch wegen eigener Strafverfahren Vorteile erhofften, oder dass sie sich beim Antragsteller rächen wollten, weil er die Substitutionsdosis nicht erhöhen wollte oder die Therapie abbrach, weil die Patientin die Medikamente an andere Personen weitergegeben oder sich in anderer Form nicht an die Erfordernisse der Therapie gehalten habe, oder auch, weil der Antragsteller ein Arbeitsverhältnis mit einer Praxishilfe nicht verlängern wollte.
Mit Schriftsatz vom 07.12.2007 legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Kopien von Zeugenaussagen anderer Personen vor, die ebenfalls vor der Polizei gemacht worden waren, und mit deren Hilfe die den Antragsteller belastenden Aussagen entkräftet werden sollten. Außerdem legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Kopie einer psychologischen Stellungnahme vom 07.12.2007 vor zur Frage, inwieweit die Aussagen von acht der Belastungszeuginnen glaubhaft seien.
Mit der Einlegung des Widerspruchs gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses hat der Beschwerdeführer zugleich beim zuständigen Sozialgericht die Aufhebung des Sofortvollzuges beantragt. Das Sozialgericht hat dem Antrag entsprochen, weil der Zulassungsausschuss nicht die Kompetenz habe, einen Sofortvollzug anzuordnen, sondern erst der Berufungsausschuss.
Hiergegen hat der Berufungsausschuss Beschwerde eingelegt, sodass die Frage, ob der bereits vom Zulassungsausschuss angeordnete Sofortvollzug zu Recht erfolgt ist, nunmehr Gegenstand des Parallelverfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht (L 12 B 650/07 KA ER) ist.
Nachdem im Verfahren über den Widerspruch gegen die Entscheidung des Z...