Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Unzulässigkeit der Anordnung des sofortigen Vollzugs seiner Entscheidung durch den Zulassungsausschuss
Orientierungssatz
Der Zulassungsausschuss ist nicht berechtigt, den sofortigen Vollzug seiner Entscheidung anzuordnen.
Tenor
I. Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 09.07.2007 werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen auferlegt.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdegegner streitet gegen den Sofortvollzug seiner Zulassungsentziehung. Dem liegt der Vorwurf zugrunde, der Antragsteller habe in seiner Praxis eine große Zahl junger und jugendlicher Patientinnen sexuell belästigt.
Mit Beschluss vom 18.04.2007 hatte der zuständige Zulassungsausschuss dem Antragsteller und Beschwerdegegner die Zulassung als Vertragsarzt entzogen und den sofortigen Vollzug dieser Maßnahme angeordnet.
Zugleich mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch hat der Antragsteller und Beschwerdegegner beim zuständigen Sozialgericht die Aufhebung des Sofortvollzuges des Beschlusses des Zulassungsausschusses beantragt, weil der Zulassungsausschuss zu einer solchen Anordnung nicht befugt sei.
Das Sozialgericht hat dem Antrag des Beschwerdegegners, den durch den Zulassungsausschuss angeordneten Sofortvollzug aufzuheben, mit Beschluss vom 09.07.2007 entsprochen, weil der Zulassungsausschuss nicht die Kompetenz habe, einen Sofortvollzug anzuordnen, sondern erst der Berufungsausschuss.
Hiergegen richten sich die Beschwerden des Berufungsausschusses - der diese dann aber im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zurückgenommen hat - und der Beigeladenen zu 2. und 3., denen das Erstgericht nicht abgeholfen hat.
Der Berufungsausschuss hat dazu vorgetragen, der Einschätzung des Erstgerichts, dass der Zulassungsausschuss nicht befugt sei, den Sofortvollzug einer Zulassungsentziehung anzuordnen, sei nicht zu folgen. Dass seit der 6. SGG-Novelle auf der Basis von § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG auch der Zulassungsausschuss einen Sofortvollzug anordnen könne, entspreche durchaus gesicherter Rechtsauffassung; dabei seien v.a. die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/5943 S. 9/Regelungsvorschlag) zu beachten sowie S. 25 a.a.O. (Vorschlagsbegründung). Denn der Gesetzgeber habe im 6. Änderungsgesetz zum SGG den ganzen einstweiligen Rechtsschutz und diesen dabei umfassend regeln wollen. Gründe, diese umfassende Regelung gerade beim Zulassungsausschuss nicht für anwendbar zu halten, ergäben sich aus der Gesetzesbegründung nicht. Deshalb dürfe die neuere, generelle Regelung nicht wegen einer älteren spezielleren Regelung für unanwendbar gehalten werden. Dies werde unterstrichen durch die Ausführungen von Schallen (Ärzte-ZV, 5. A. 2007, Rn. 309, S. 158), wenn es dort nach der Erwähnung des Berufungsausschusses und der diesem nach § 97 Abs. 4 SGB V gegebenen Handhabe des Sofortvollzuges heiße: "Daneben ist aber auch in §§ 86a Abs. 2 Nr. 5, 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG vorgesehen, dass im überwiegenden Interesse eines Beteiligten die sofortige Vollziehung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren angeordnet werden kann." Des Weiteren verweist der Berufungsausschuss auf die Ausführungen von Schiller bei Schnapp/Wigge, Vertragsarztrecht, 2.Aufl., 2006, S 171 f. Dort wirft der Autor zunächst die Frage auf, welche sachlichen Gründe es geben solle, dass die spezialgesetzliche Regelung über die Entscheidung des Berufungsausschusses in § 97 Abs. 4 die Anwendung der grundsätzlichen Regelungen in § 86a Abs. 2 Nr. 5 ausschließen sollte, um dann weiter auszuführen, dass dafür keine gesetzgeberischen Absichten erkennbar seien.
Auch die Beigeladene zu 2. - die AOK - hat inhaltlich zu den zugrunde liegenden Fragen Stellung genommen. Sie trägt vor, in § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG sei ausdrücklich vorgesehen, dass die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen habe oder diejenige, die über den Widerspruch zu entscheiden habe, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Vollzugsinteresses anordnen könne. Daraus folge die Anordnungsbefugnis des Zulassungsausschusses. Daraus, dass § 97 Abs. 4 SGB V den Berufungsausschuss, nicht aber den Zulassungsausschuss erwähne, könne nicht das Gegenteil abgeleitet werden. Denn die Bestimmungen des § 86a SGG gingen nunmehr den Regelung der §§ 96, 97 SGB V vor. Nach diesen Bestimmungen habe vor dem Erlass des 6. Änderungsgesetzes zum SGG generell der Grundsatz gegolten, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätten, Verwaltungsakte seien daher sofort vollziehbar gewesen. Nur in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise ausdrücklich vom Gesetz angeordnet gewesen sei, habe es aufschiebende Wirkung gegeben. Ansonsten habe für die Verwaltung keine Möglichkeit bestanden, im Einzelfall in weniger bedeutsamen Fällen die sofortige...