Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarztrecht: Wirksamkeit der Aufhebung einer Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Zulassungsentziehung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufhebung einer durch die Verwaltung angeordneten sofortigen Vollziehung der Entziehung der Zulassung eines Vertragsarztes in einem gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren entfaltet Wirkung nur ex nunc, nicht Wirkung ex tunc.
2. Die Anordnung des Sofortvollzuges kann auch durch den Zulassungsausschuss erfolgen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Januar 2011 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 10.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2009 abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die vollständige Vergütung der vom Kläger im Quartal 2/07 erbrachten Leistungen streitig. Der Kläger nahm als Allgemeinarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Dem Kläger wurde mit Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte - Niederbayern - vom 15.05.2007 (Beschluss vom 18.04.2007) die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung entzogen. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet. Das Sozialgericht München hat mit Beschluss vom 09.07.2007 (Az.: S 39 KA 778/07 ER) die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben, weil diese Anordnung durch den Zulassungsausschuss mangels einer Rechtsgrundlage rechtswidrig sei.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Honorarbescheid vom 10.10.2007 für das Quartal 2/2007 eine Restzahlung von 11.711,31 € zuerkannt. Dem Bescheid lag ein Richtigstellungsbescheid vom selben Tage bei, in dem umfangreiche Kürzungen nach dem Berichtigungskürzel MF 0019 erfolgt sind (MF 0019: "Die Leistungen wurden aufgrund der telefonischen/schriftlichen Mitteilung berichtigt"). Die Beklagte hat alle vom Kläger im Quartal 2/07 nach dem 15.05.2007 (= Datum des Bescheides des Zulassungsausschusses) erbrachten und abgerechneten Leistungen sachlich und rechnerisch berichtigt.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 17.10.2007. Der Honorarbescheid für das Quartal 2/2007 habe nicht berücksichtigt, dass das Sozialgericht München im Verfahren S 39 KA 778/07 ER den Sofortvollzug des Zulassungsentzugs aufgehoben habe. Im Übrigen seien die Berechnungen nicht nachvollziehbar.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2009 zurückgewiesen. Zu der hiesigen Problematik wird im Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass aufgrund des Zulassungsentzuges, welcher dem Kläger am 16.05.2007 zugestellt worden sei, dieser bis einschließlich 15.05.2007 insgesamt 258.135,0 Punkte zur Abrechnung gebracht und vergütet erhalten habe. Hinsichtlich des laufenden Verfahrens vor dem Sozialgericht seien die Abschlagszahlungen zum damaligen Zeitpunkt ausgesetzt worden, es sei lediglich für den Monat Juni die Überweisung einer Abschlagszahlung in Höhe von 4.400,- € erfolgt. Am 28.09.2007 habe der Kläger für das Quartal 2/2007 eine Restzahlung in Höhe von 8.374,16 € erhalten, wodurch die noch offenen Ansprüche des Klägers vollständig vergütet worden seien.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die Klage vom 07.10.2009, die mit Schriftsatz vom 15.06.2010 näher begründet wurde. Der angefochtene Bescheid vom 23.09.2009 verletze den Kläger in seinen Rechten. Zum einen sei gegen den Zulassungsentzug einstweiliger Rechtsschutz beim Sozialgericht München beantragt worden, zum anderen sei die Hauptsache gegen den Zulassungsentzug bis heute nicht entschieden. Eine Aussetzung, wie von der Beklagten auf Seite 5 des Bescheides dargestellt, sei im Hinblick auf den Suspensiveffekt des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens unzulässig. Die angebliche Restzahlung in Höhe von 8.374,16 € habe diese rechtlichen Ausgangsbedingungen nicht berücksichtigt. Die offenen Ansprüche des Klägers seien durch diese Restzahlung nicht vollständig vergütet worden. Bei der Akteneinsicht sei festgestellt worden, dass der Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 in sich nicht nachvollziehbar und nicht schlüssig sei.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 28.01.2011 den Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 insgesamt und den Honorarbescheid vom 10.10.2007 insoweit aufgehoben, als mit ihm die in dem Richtigstellungsbescheid abgesetzten Leistungen nicht vergütet worden seien, und die Beklagte wurde verurteilt, alle von dem Kläger im Quartal 2/2007 erbrachten und abgerechneten Leistungen zu berücksichtigen und zu vergüten.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.01.2011 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.07.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, die mit Schriftsatz vom 27.01.2012 begründet wurde. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen Leistungen, weil er im Quartal 2/07...