Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. rückwirkende Bewilligung nach Abschluss der Instanz. Voraussetzung: Entscheidungsreife des PKH-Antrags zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens. Stellungnahme des Prozessgegners
Leitsatz (amtlich)
1. Die rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt auch noch nach Abschluss der Instanz in Betracht, wenn sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligt werden müssen. Ein entsprechender Anspruch setzt voraus, dass der Prozesskostenhilfeantrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens im Sinn der Bewilligung entscheidungsreif war (vgl BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 362/10 = Juris Rn 13 f).
2. Entscheidungsreife tritt dann ein, wenn dem Gericht ein vollständiger und damit bewilligungsreifer Antrag auf Prozesskostenhilfe vorliegt. Die antragstellende Partei muss alle Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass das Gericht die Berechtigung des gestellten Antrags prüfen kann. Dazu gehört neben einer ordnungsgemäß ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit den erforderlichen Belegen (§ 117 Abs 2 ZPO) eine substantiierte Darstellung des Streitverhältnisses mit Schilderung des Sachverhalts und einer zumindest knappen Begründung der Klage bzw des (Eil-)Antrags (§ 117 Abs 1 S 2 ZPO).
3. Eine Stellungnahme des Prozessgegners zum Prozesskostenhilfeantrag ist dagegen nicht Voraussetzung für einen bewilligungsreifen Antrag.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 30.05.2014 aufgehoben.
II. Der Antragstellerin und Beschwerdeführerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht München Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B., B-Straße 16, B-Stadt beigeordnet.
III. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt mit ihrer Beschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein inzwischen erledigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1968 geborene Bf. erhielt mit ihrem 1996 geborenen Sohn D. im Jahr 2013 zeitweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg.). Beide erzielten Einkünfte, die Bf. aus zwei geringfügigen Tätigkeiten (Firmen M. und V.) und Kindergeld, ihr Sohn aus einer Berufsausbildung und Unterhalt.
In ihrem Weiterbewilligungsantrag vom November 2013 gab die Bf. an, seit 01.11.2013 nicht mehr bei der Firma M. zu arbeiten und legte Gehaltsabrechnungen bis einschließlich September 2013 sowie Kontoauszüge vor. Der Bg. bewilligte der Bf. auf dieser Grundlage für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 30.04.2014 monatliche Leistungen zwischen 99,63 € und 110 € (Bescheid vom 05.12.2013). Für ihren Sohn errechnete sich danach kein Anspruch. Die Bf. wurde aufgefordert, noch Gehaltsabrechnungen ihres Arbeitgebers V. von Oktober und November 2013 sowie eine aktuelle Gehaltsabrechnung ihres Sohnes vorzulegen. Dem kam die Bf. nicht nach. Nach Aufnahme einer Tätigkeit durch die Bf. im Dezember 2013 wurden aus diesem Bescheid ab dem 01.01.2014 keine Leistungen mehr bezahlt, ohne dass dies in den Akten dokumentiert wurde.
Mit Weiterbewilligungsantrag vom 18.02.2014 legte die Bf. einen Arbeitsvertrag mit dem D. J. (DJH) vom 09.12.2013 bis zum 08.12.2014 vor und eine Kündigung zum 28.02.2014. Beigefügt waren außerdem eine Lohnabrechnung für Januar 2014 des DJH sowie Kontoauszüge ab Dezember 2013. Sie gab an, weiterhin mit ihrem Sohn in Bedarfsgemeinschaft zu leben.
Mit Schreiben vom 24.02.2014 forderte der Bg. von ihr noch Gehaltsabrechnungen von V. von Oktober 2013 bis Februar 2014, des DJH von Dezember 2013 und Februar 2014, Gehaltsabrechnungen des Sohnes ab September 2013 bis Februar 2014 und Kontoauszüge des Sohnes der letzten 6 Monate.
Am 06.03.2014 legte der Bevollmächtigte der Bf. die Gehaltsabrechnungen von V. bis einschließlich Dezember 2013 vor und erklärte, dass dieses Arbeitsverhältnis bereits beendet sei und dass das DJH den Februar noch nicht abgerechnet habe. Unterlagen des Sohnes seien schwer zu erlangen. Die Lohnabrechnungen des DJH für Dezember 2013 sowie des Sohnes von September 2013 bis Februar 2014 wurden am 12.03.2014 nachgereicht. Der Bg. erklärte hierzu, dass die Aufgabe der Tätigkeit bei V. nicht mitgeteilt worden sei und dass zur korrekten Anrechnung der Einkünfte die Kontoauszüge erforderlich seien.
Nach Eingang der Lohnabrechnung der Bf. für Februar 2014 sowie von Kontoauszügen ab 01.01.2014 forderte der Bg. sie unter Fristsetzung bis 29.04.2014 und Hinweis auf die Möglichkeit der Versagung der Leistungen auf, die Kontoauszüge ihres Sohnes ab 01.10.2013 bis laufend und die Sozialversicherungsabmeldungen von V. und des DJH vorzulegen (Schreiben vom 11.04.2014).
Am 22.04.2014 wandte sich die Bf. mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtschutz an das Sozialgericht München. Sie beantragte, im Wege des eins...