Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Mindestlohn. Berücksichtigungsfähigkeit von Sachleistungen. keine Klärung von "offenen" Rechtsfragen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Leitsatz (amtlich)
Mindestlohn ist in bar auszuzahlen.
Orientierungssatz
1. Zum Leitsatz vgl BAG vom 25.5.2016 - 5 AZR 135/16 = BAGE 155, 202.
2. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist grundsätzlich nicht geeignet, aus Sicht eines Antragstellers "offene" Rechtsfragen zu klären. Rechtsfragen, sollten sie tatsächlich "offen" sein, werden nicht in Verfahren, die eine vorläufige Regelung zum Inhalt haben, geklärt, sondern im Verfahren der Hauptsache.
Normenkette
SGG § 86a Abs. 2 Nr. 1, § 197a Abs. 1 S. 1; SGB IV §§ 24, 28h Abs. 2; VwGO § 155 Abs. 1 S. 1; GKG §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 29. September 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller und Beschwerdeführer trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen samt Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 3.517,86 EUR (davon 385,50 EUR an Säumniszuschlägen) durch den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg.)
Der Bf. ist selbständiger Steuerberater. In seiner Steuerkanzlei beschäftigte der Kläger den Arbeitnehmer S, zuletzt aufgrund des "Telearbeitsvertrags" vom 30.11.2006. Nach § 4 des Telearbeitsvertrags erhielt S. für seine Tätigkeit ein Kfz zur Privatnutzung, wodurch das "Gehalt" "abgegolten" worden sei. Als wöchentliche Arbeitszeit wurden vier Stunden vereinbart.
Am 01.04.2010 schlossen der Kläger und S. einen Vertrag als "Zusatz zum Telearbeitsvertrag". Das Gehalt werde jeweils "so bemessen, das der Arbeitnehmer seine Lohnsteuer und seinen Anteil an der Sozialversicherung leisten" könne.
Am 01.06.2013 schlossen der Kläger und S. einen Vertrag mit dem Inhalt der "Änderung zum Vertrag über die Kraftfahrzeugbenutzung vom 30.11.2006" ab, wonach der Kläger seinem Arbeitnehmer S. ein Kfz. mit einem steuerlichen Bruttolistenpreis von 111.210,00 EUR überlässt und S. nur die Versicherung zu tragen habe.
Am 01.09.2015 schlossen der Kläger und S. einen Vertrag mit dem Inhalt einer "Änderung zum Telearbeitsvertrag", wonach nunmehr eine wöchentliche Arbeitszeit von 22,5 Stunden zu leisten sei.
In der Zeit vom 24.03.2017 bis 12.07.2017 führte der Bg. für den Prüfzeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 eine Betriebsprüfung beim Bf. durch. Nach entsprechender Anhörung forderte der Bg. mit Bescheid vom 25.07.2015 vom Bf. für September 2015 bis einschließlich Dezember 2016 Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 3.517,86 EUR nach.
Der Bf. habe mit seinem Arbeitnehmer Sachleistungen vereinbart, indem er diesem ein Firmenfahrzeug zur privaten Nutzung überlassen habe. Bei Umrechnung des ausbezahlten Geldbetrages an den Arbeitnehmer mit der vereinbarten Arbeitszeit von 22,5 Stunden wöchentlich ergebe sich für die Zeit vom September 2015 bis einschließlich Dezember 2016 ein tatsächlich gezahlter Barstundenlohn zwischen 3,33 EUR und 3,77 EUR pro Stunde. Nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz-MiLoG) vom 11.08.2014 gelte in Deutschland seit dem 01.01.2015 ein flächendeckender allgemeiner Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR brutto je Stunde. Dieser sei nach den Gesetzesmaterialien (Bundestags-Drucksache 18/2010 S. 16 Abschnitt IV Ziffer 7) als Geldbetrag geschuldet und könne nicht durch das Gewähren von Sachleistungen erfüllt werden. Auch wenn die vom Bf. zur Verfügung gestellten Sachbezüge einen in Geld bezifferbaren Wert hätten, so seien sie keine Geld-, sondern Sachleistungen und als solche grundsätzlich nicht im Sinne einer Anrechnung auf den Mindestlohnanspruch berücksichtigungsfähig. Sozialversicherungsbeiträge seien daher auf der Grundlage des Mindestlohns von 8,50 EUR pro geleisteter Stunde zu zahlen und nicht aus dem um die Sachbezüge geminderten an S. ausgezahlten Stundenlohn. Aus einem zusätzlich nach dem Mindestlohngesetz dem Arbeitnehmer geschuldeten Entgelt von 5.618,19 EUR würden deshalb entsprechende Beiträge nachgefordert, nämlich in Höhe von 3.232,36 EUR. Hinzu kämen Säumniszuschläge, da der Bf. nicht unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. In der Veröffentlichung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom Februar 2015 sei die Rechtslage klar dargelegt worden. Bei Zweifeln hätte der Bf. eine verbindliche Auskunft der zuständigen Einzugsstelle einholen müssen gemäß § 28h Abs. 2 SGB IV.
Über den gegen den Prüfbescheid am 10.08.2017 vom Bf. eingelegten Widerspruch ist bislang noch nicht entschieden.
Nachdem vom Bg. die vom Bf. mit Schreiben vom 18.08.2017 beantragte Aussetzung der Vollzi...