Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen: Anrechnung von Sachbezügen beim Mindestlohn
Leitsatz (amtlich)
1. Sachbezüge sind bei der Berechnung des Mindestlohnes nicht zu berücksichtigen.
2. Offene Rechtsfragen begründen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides, die eine Aussetzung der Vollstreckung des Bescheides rechtfertigen würden.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29. November 2021 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller und Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 3.666,27 Euro.
Gründe
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der inzwischen erhobenen Klage nicht nur bzgl der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 10.633,59 Euro, sondern auch - so das ausdrückliche Begehren des Prozessbevollmächtigten des Bf - bezüglich Säumniszuschlägen iHv 4.031,50 Euro, obwohl das Sozialgericht bzgl der Säumniszuschläge die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg) vom 07.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2021 bereits angeordnet hat.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung vom 11.07.2019 bis 07.08.2020 im Restaurant des Bf forderte die Bg nach entsprechender Anhörung mit Bescheid vom 07.08.2020 für den Prüfzeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2018 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 10.633,59 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von 4.031,50 Euro. Für mehrere Arbeitnehmer sei ein geldwerter Vorteil (Sachbezug) für die freie Unterkunft und Verpflegung erst ab Oktober 2016 berücksichtigt worden, bei einem Beschäftigten, der in einer geringfügig entlohnten Beschäftigung gemeldet gewesen war, habe zudem wegen der insoweit notwendigen Berücksichtigung von Sachbezügen für die freie Unterkunft und Verpflegung bei der Berechnung des sozialversicherungspflichtigen Einkommens Versicherungspflicht bestanden und bei diversen Mitarbeitern sei der Mindestlohn in den Jahren 2017 und 2018 unterschritten worden, da Sachbezüge andererseits bei der Berechnung des Mindestlohnes außer Betracht bleiben müssten.
Gegen den Bescheid erhob der Bf Widerspruch lediglich bzgl der Nichtberücksichtigung der Sachbezüge bei der Berechnung des Mindestlohnanspruchs. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2021 als unbegründet zurückgewiesen. Ab Januar 2017 sei den Beschäftigten ein Bruttolohn von zumeist monatlich 750 € oder auch von 1.300 € und zusätzlich Sachbezüge für freie Unterkunft und Verpflegung (täglich eine Mahlzeit) gewährt worden. Nach den vom Bf erstellten Stundenaufzeichnungen sei damit in den Jahren 2017 und 2018 der Mindestlohn von 8,84 € je geleistete Arbeitsstunde unterschritten worden. Ausgehend von dem in § 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handele es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers. Daher sei der an die Arbeitnehmer im Gehalt für die Jahre 2017 und 2018 enthaltene geldwerte Vorteil für Unterkunft und Verpflegung in die Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns nicht miteinzubeziehen.
Dagegen hat der Bf am 27.07.2021 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen S 4 BA 187/21 anhängig ist.
Am 07.10.2021 beantragte der Bf beim SG die Aussetzung der Vollziehung. Es wurde Sinn und Zweck des Mindestlohngesetzes, sowie die Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt und ausgeführt, dass die Strafgerichte, die gemäß § 266 a StGB über vorenthaltene Arbeitsentgelte zu entscheiden haben, seit 2021 von ihrer Rechtsansicht abweichen würden, dass Sachbezüge kein Mindestlohn seien. Die Antragsgegnerin sei in dem Verfahren 1117 OWi 298 Js 144705/19 aufgefordert worden, eine Berechnung vorzulegen, mit Anerkennung von Sachbezügen als Arbeitsentgelt im Sinne des § 1 MiLoG.
Mit Beschluss vom 29. November 2021 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung der Klage in Bezug auf die verhängten Säumniszuschläge iHv 4.031,50 Euro an, wies aber den Antrag auf Eilrechtsschutz in Bezug auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen iHv 10.633,59 Euro ab.
Säumniszuschläge seien gemessen an den Maßstäben des Eilverfahrens nach Einschätzung des SG zu Unrecht auferlegt worden. Die Feststellungen der Bg zum zumindest bedingten Vorsatz seien unzureichend. Berücksichtigt werden müsse dabei auch, inwieweit der Bf in den Jahren 2017/2018 habe wissen müssen, dass Sachbezüge auf den Mindestlohn nicht angerechnet werden dürfen, zumal diese Frage bislang nicht höchstrichterlich durch das Bundessozialgericht geklärt sei.
Die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bf begegne jedoch keinen Bedenken, die nach den im Eilverfahren geltenden Maßstäben i...