Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. Folgenabwägung. Existenzminimum. Untersuchungshaft. Kaution. Glaubhaftmachung. Rechtskraft. Prozesskostenhilfe. Hinreichende Aussicht auf Erfolg

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat das Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig abgelehnt, ist ein erneuter Antrag, der den ersten Antrag nur wiederholt, unzulässig, sofern sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat.

2. Befindet sich jemand in Untersuchungshaft, ist sein Existenzminimum durch die in der Justizvollzugsanstalt zur Verfügung gestellten Sachleistungen gesichert. Das Gericht darf dann im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine bloß summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage vornehmen. Eine Folgenabwägung ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

SGB XII § 2 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 S. 5; SGG §§ 73a, 86b Abs. 2 S. 2, § 141; ZPO § 114 S. 1; StPO § 124

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. September 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Frage der vorläufigen Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) streitig.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer, der sich im Zeitraum vom 16.09 2007 bis 02.11.2007 und seit 28.12.2007 in Untersuchungshaft befindet, beantragte am 01.08.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Im sich daran anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht München (SG) verpflichtete dieses mit Beschluss vom 13.09.2007 die Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung A-Stadt GmbH dem Antragsteller vorläufig ab 03.08.2007 bis 31.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Az.: S 48 AS 1542/07 ER). Die hiergegen erhobene Beschwerde vom 07.12.2007 wurde durch das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 27.02.2008 (Az.: L 16 B 1138/07 AS ER) zurückgewiesen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, für Vollzugsinsassen seien wegen § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II die Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII zuständig. Dieser Beschluss wurde der ARGE A-Stadt GmbH am 23.04.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Mit Schreiben vom 30.04.2008 beantragte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die Antragsgegnerin wegen Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) beim SG (eingegangen am 09.05.2008, Az.: S 32 SO 194/08 ER).

Am 09.05.2007 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Hilfe zum Lebensunterhalt. Zur Begründung wurde ausgeführt, er sei mittellos in Untersuchungshaft und könne daher nicht am Regeleinkauf teilnehmen. Auch wäre es ihm nicht möglich, eine Mietgebühr für Fernsehen zu entrichten.

Mit Beschluss vom 04.06.2008 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin, vorläufig ab 09.05.2008 für die Dauer der Untersuchungshaft, längstens bis zur Bestandskraft der Entscheidung der Antragsgegnerin über den Taschengeldantrag des Antragstellers Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Form eines monatlichen Taschengeldes in Höhe von 35 € zu gewähren. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Zusammenfassend bejahte das SG die Glaubhaftmachung eines ungedeckten Bedarfs nach § 19 Abs. 1 SGB XII im Sinne eines Anordnungsanspruchs.

Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seiner am 03.07.2008 beim SG München eingegangenen Beschwerde an das LSG. Mit Beschluss des LSG vom 22.07.2008 wurde die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 04.06.2008 zurückgewiesen. Zusammenfassend wurde ein Taschengeldesanspruch des Antragstellers bestätigt, darüber hinausgehende Hilfen (Kleidung, Wäsche, tägliche Essenslieferung) wurden jedoch abgelehnt, da über die umfassenden Sachleistungen der Justizvollzugsanstalt eine Bedarfsdeckung erfolge.

Am 03.07.2008 beantragte der Antragsteller die nachfolgend aufgeführten Leistungen (Vorhängeschloss, Verlängerungskabel, Thermoskanne, Schreibtischstuhl, Leselampe Kommentar zum SGB XII, Gegenstände aus der geräumten Notunterkunft; 15 € für die Leerung von Schließfächern, Bürgschaft für Kaution gemäß §§ 116 Abs. 1 Nr. 4 , 116a Abs. 1 StPO, Finanzierung eines gebrauchten Wohnmobils).

Mit Bescheid vom 14.07.2008 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung der beantragten Leistungen ab.

Mit Schreiben vom selben Tag beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin folgende weitere Leistungen (Teilnahme an öffentlichen Sitzungen des Petitionsausschusses des Bayerischen Landtages, Kopfkissen, Arztkosten, Kosten für Zahnersatz, Ausweiskosten, Wahlanfechtungskosten). Er beabsichtige ferner, nach Haftentlassung in einem gebrauchten Wohnmobil zu wohnen. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 14.07.2008 abgelehnt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde noch nicht verbeschie...

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