Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Nichtzustimmung zur Beiziehung ärztlicher Unterlagen

 

Leitsatz (amtlich)

Wer der Beiziehung ärztlicher Unterlagen nicht zustimmt, trägt die Beweislast, soweit es bezüglich der beantragten Leistungen auf den Gesundheitszustand ankommt.

 

Normenkette

SGB II § 16 Abs. 1 S. 2 Fassung : 2009-03-02; SGB III § 77 Fassung : 2008-12-21

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.06.2021; Aktenzeichen B 14 AS 99/21 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. September 2012 - S 5 AS 331/11 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Förderung einer Umschulung zum Kraftfahrzeugmechatroniker durch den Beklagten.

Der 1963 geborene Kläger erhält seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin. Am 17.08.2010 beantragte er die Übernahme der Kosten einer Umschulung zum Kraftfahrzeugmechatroniker. In einem Beratungsgespräch am 24.09.2010 wurde mit dem Kläger besprochen, dass zunächst seine gesundheitliche Eignung für das Bildungsziel zu prüfen sei. Der Kläger wurde aufgefordert, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und sich damit einverstanden zu erklären, dass die Befundunterlagen, Untersuchungsergebnisse, Krankenhausentlassungsberichte, Krankengeschichten und ähnliche Unterlagen dem Arzt der Agentur für Arbeit zur Auswertung zur Verfügung gestellt werden. Der Kläger erteilte das Einverständnis nicht, vielmehr widersprach er ausdrücklich der Übersendung und Übermittlung seiner persönlichen Daten.

Mit Bescheid vom 29.10.2010 lehnte der Beklagte die Kostenübernahme für die Umschulung ab. Nach dem vorliegenden ärztlichen Gutachten der Deutschen Rentenversicherung vom 18.03.2009 sei dem Kläger u. a. ständiges schweres Heben und Bewegen von Lasten, häufiges Bücken, eine längere Zwangshaltung und Überkopfarbeit und Arbeit unter Zeitdruck nicht zuzumuten. Solche Belastungen seien aber im Beruf des Kraftfahrzeugmechatronikers zu erwarten.

Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger Elektromeister sei. Es gäbe in der näheren Umgebung geeignete freie Stellen, auf die er sich bewerben könne. Der Kläger habe bisher nicht belegt, dass er sich um eine solche Arbeit bemüht habe. Da der Kläger seit Oktober 2009 fast durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sei, könne nicht vermutet werden, dass durch die Förderung der Maßnahme seine Hilfebedürftigkeit beendet werden könne.

Den Widerspruch des Klägers vom 05.04.2011 wies der Beklagte am 08.04.2011 als unbegründet zurück. Die Förderung sei nicht erforderlich zur Eingliederung in Arbeit. Eine positive Beschäftigungsprognose bestehe nicht.

In der am 03.05.2011 erhobenen Klage trug der Kläger vor, die berufliche Eingliederung bei Arbeitslosigkeit sei gegeben. Dazu gäbe es eine aktenkundige Falschaussage beim Landessozialgericht München. Der Widerspruchsbescheid könne nur falsch sein, da so viele Klagen unbearbeitet seien.

An der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 24.09.2012 hat der Kläger nicht teilgenommen.

Das Sozialgericht wies die Klage ab. Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Förderung der Umschulungsmaßnahme. Nach § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) könnten erwerbsfähige Hilfebedürftige bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn

1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden, oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,

2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und

3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Die Übernahme der Weiterbildungskosten stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten. Der Beklagte könne nur zur Förderung verpflichtet werden, wenn sein Ermessen auf Null reduziert ist, also keine andere Entscheidung als die Bewilligung der Weiterbildung rechtmäßig wäre. Dies sei nicht erkennbar. Die begehrte Weiterbildung sei nicht notwendig zur Eingliederung des Klägers. Er sei ausgebildeter Elektromechanikermeister. Eine Wiedereingliederung wäre in seinem erlernten Beruf möglich, da es immer wieder freie Stellen im Landkreis des Klägers gäbe. Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers. Die Tätigkeit als Kfz-Mechatroniker verlange Bewegungsabläufe, die dem Kläger nach dem ärztlichen Gutachten der Deutschen Rentenversicherung nicht zumutbar seien.

Ermessensfehler oder ein Ermessensfehlgebrauch des Beklagten seien nicht ersichtlich.

Das Urteil wurde dem Kläger am 28.11.2012 zugestellt. Bereits am 26.09.2012 hatte sich dieser an das Landessozialgericht gewandt und "Klage" gegen die Entscheidung des Sozial...

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