Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsantrag. Antragsberechtigung. Betreuer. Begleitperson. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden des Vertreters. Gerichtliche Kostenfestsetzung. Verdienstausfall
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
2. Bei einem erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrag ist eine gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG nur dann zu treffen, wenn entweder die Staatskasse oder der Berechtigte einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung gestellt haben oder eine gerichtliche Festsetzung in Anbetracht der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Kostenfestsetzung als angemessen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG erscheint.
Normenkette
JVEG § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Geltendmachung der Entschädigung für die Wahrnehmung des Untersuchungstermins am 05.01.2012 gewährt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Antragstellerin für die Entschädigung wegen der Wahrnehmung eines Untersuchungstermins am 05.01.2012 Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) vom Betreuer der Antragstellerin unter dem Az. L 15 VG 10/09 für diese anhängig gemachten Rechtsstreit wurde die Antragstellerin am 05.01.2012 auf Anordnung des Gerichts ärztlich begutachtet. Der Betreuer begleitete die Antragstellerin zum Untersuchungstermin. Die Gutachterin bestätigte die Notwendigkeit einer Begleitperson wegen der Angsterkrankung der Antragstellerin.
Mit Entschädigungsantrag vom 09.01.2012 beantragte der Betreuer als Begleitperson, ihm für Verdienstausfall sowie Fahrtkosten eine Entschädigung zu gewähren.
Mit am 24.07.2012 zugestelltem gerichtlichem Beschluss vom 17.07.2012, Az.: L 15 SF 29/12, wurde die Entschädigung des Betreuers auf 0,- € festgesetzt, da ihm kein eigener Anspruch zustehe. Er habe die Antragstellerin nicht in seiner Eigenschaft als Betreuer zur Untersuchung begleitet, sondern als Begleitperson. Der Begleitperson stehe aber kein eigener Anspruch nach dem JVEG zu.
Mit Schreiben vom 24.07.2012, beim Bayer. LSG eingegangen am 26.07.2012, hat der Betreuer der Antragstellerin als deren Vertreter sowohl den Entschädigungsantrag vom 09.01.2012 nunmehr als eigenen Antrag der Antragstellerin vorgelegt als auch Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist sinngemäß damit begründet worden, dass der Betreuer mit der Stellung des Antrags vom 09.01.2012, damals noch in seinem eigenen Namen, rechtzeitig den Entschädigungsantrag gestellt habe und damit habe rechnen dürfen, dass über diesen Antrag positiv verbeschieden werde. Dass er selbst keinen Anspruch habe, sei erst aus dem gerichtlichen Beschluss vom 17.07.2012, Az.: L 15 SF 29/12, deutlich geworden, nicht aber dem vorhergehenden Schreiben des Kostenbeamten zu entnehmen, in dem ihm eine Entschädigung für Fahrtkosten, nicht aber für Verdienstausfall zugesprochen worden sei.
II.
Wiedereinsetzung ist zu gewähren.
Im vorliegenden Fall ist der Entschädigungsantrag zu spät gestellt worden. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen vor.
1. Entschädigungsantrag zu spät gestellt
Die Antragstellerin hat den Entschädigungsanspruch für die Wahrnehmung des Untersuchungstermins am 05.01.2012 erst am 26.07.2012 und damit lange nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlussfrist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. 2012, § 2 JVEG, Rdnr. 7) des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG geltend gemacht.
2. Wiedereinsetzungsgrund gegeben
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, da die Antragstellerin ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG ist einem Berechtigten, der ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist nach § 2 Abs. 1 JVEG gehindert gewesen ist, vom Gericht auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen. Wiedereinsetzung kann gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht mehr gewährt werden, wenn ein Jahr, gerechnet ab dem Ende der versäumten Frist, abgelaufen ist. Ein Verschulden des Vertreters ist dem Berechtigten zuzurechnen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, ders., Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 67, Rdnr. 3e).
Ein Verschulden der Antragstellerin oder ihres Betreuers an der Versäumung der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist nicht gegeben; sie bzw. er haben es nicht schuldhaft versäumt, rechtzeitig den Antrag auf Entschädigung zu stellen.
Zwar ist es Sache des Berechtigten, für die rechtzeitige Stellung des vollständigen Antrags zu sorgen. Es reicht insofern grundsätzlich nicht aus, wenn - wie hier - ein Antrag zwar innerhalb der Frist, jedoch von einer selbst nicht anspruchsberechtigten Person, nämlich der Begleitperson, für sich selbst und nicht für den begleiteten Entschädigungsberechtigten ges...