Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit. fünfjähriges Kind mit Mukoviszidose. Motivation und Unterstützung bei krankheitsbedingt erhöhter Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Berücksichtigung im Modul 4 oder 5
Orientierungssatz
Zur Frage, ob die Motivation und Unterstützung, welche ein fünfjähriges Kind mit einer angeborenen Stoffwechselerkrankung (Mukoviszidose) bei der krankheitsbedingt erhöhten Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme benötigt, im Rahmen des Moduls 4 bei den Kriterien 4.8 (Essen) und 4.9 (Trinken) zu berücksichtigen sind oder im Rahmen des Moduls 5 beim Kriterium 5.16 (Einhalten einer Diät und anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften).
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 6. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung von Pflegegrad 2 über den 31.07.2018 hinaus streitig.
Die am 14.01.2017 geborene Klägerin und Berufungsklägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert. Sie leidet an einer angeborenen Stoffwechselerkrankung (Mukoviszidose).
Auf ihren Antrag auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung vom 11.07.2017 veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK, jetzt Medizinischer Dienst - MD), der im Gutachten vom 18.09.2017 nach einem Hausbesuch insgesamt 20 gewichtete Punkte ermittelte - allesamt im Modul 5, wo 7 Einzelpunkte festgestellt wurden. Pflegebegründende Diagnose sei eine zystische Fibrose. Die Voraussetzungen für Pflegegrad 2 lägen seit dem 01.07.2017 vor.
Die Beklagte teilte daraufhin dem gesetzlichen Vertreter der Klägerin mit Bescheid vom 12.10.2017 mit, der MDK habe festgestellt, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für den Pflegegrad 1 vorlägen. Kinder würden jedoch bis zum vollendeten 18. Lebensmonat aufgrund ihrer noch natürlichen Unselbständigkeit pauschal einen Pflegegrad höher eingestuft als Kinder nach dem 18. Lebensmonat. Die Beklagte zahle deshalb in der Zeit vom 01.07.2017 bis 31.07.2017 für die Klägerin ein Pflegegeld nach Pflegegrad 2. Nach Vollendung des 18. Lebensmonats habe die Klägerin Anspruch auf Pflegeleistungen nach Pflegegrad 1. Hierüber werde im Juni 2018 ein neuer Bescheid erteilt werden.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19.06.2018 teilte die Beklagte mit, dass ab dem 01.08.2018 Pflegeleistungen nach Pflegegrad 1 für die Klägerin gewährt würden.
Dagegen erhoben die gesetzlichen Vertreter der Klägerin Widerspruch und machten geltend, dass bei der Klägerin mindestens Pflegegrad 2 festgestellt werden müsse. Die Stoffwechselerkrankung erfordere im hohen Maße die Vermeidung von Keimen durch sorgfältigste Hygiene, weshalb die Körperpflege sehr aufwändig sei. Auch im Bereich der Ernährung bestehe ein hoher zeitlicher Bedarf, da die Erkrankung der Klägerin geprägt sei durch eine schlechte Verwertung der Nahrung. Es müsse daher eine hochkalorische Nahrungsaufnahme gewährleistet werden unter Beigabe von Kreon, welches die Aufnahme der Nährstoffe sicherstelle. Dies erfordere eine äußerste Motivierung und verlange der Pflegeperson ein hohes Maß an Geduld ab. Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz sei ebenfalls gegeben, insbesondere verlangten das mehrmalige Inhalieren und die kalorienreiche Nahrungsaufnahme der Klägerin in ihrem noch sehr jungen Alter große Verantwortung ab, so dass es täglich zu aggressivem Verhalten durch Schmeißen von Gegenständen komme. Beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung von Frau W vom 20.11.2018.
Der MDK stellte in seinem Gutachten vom 07.03.2019 nach einem weiteren Hausbesuch bei der Klägerin erneut insgesamt 20 gewichtete Punkte fest, die im Modul 5 bei 10 Einzelpunkten ermittelt wurden. Berücksichtigt wurde hier u.a. das Einhalten einer Diät und anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften.
Die Beklagte wies den Widerspruch sodann mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2019 zurück.
Dagegen haben die gesetzlichen Vertreter der Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und ein Pflegeprotokoll vom 07.03.2019 vorgelegt. Außerdem ist ein Arztbericht des Krankenhauses J vom 20.11.2018 in Vorlage gebracht worden, in dem es heißt: "Außerdem ist auf eine regelmäßige kalorienreiche Nahrung zu achten, die jeweils - eigens für den in der jeweiligen Mahlzeit berechneten Fettgehalt - eine Gabe von Pankreasfermenten (gleichmäßig verteilt auf die Mahlzeit) bedarf".
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte S (Kinderärztin) und W (pädiatrische Pneumologin) eingeholt und sodann die Pflegesachverständige G um Erstellung eines Gutachtens im Wege eines Hausbesuchs gebeten.
In ihrem Gutachten vom 28.10.2019 ermittelte die Sachverständige 20 gewichtete Punkte, die sämtlich im Modul 5 bei 7 Einzelpunkten festgestellt wurden. Zum Item 4.8 (Essen) in Modul 4 wird ausgeführt, dass ...