Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsgebühren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Gebühr des Rechtsanwalts. Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Mittelgebühr. Synergieeffekte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs 2 SGG ist grundsätzlich auf den Gebührentatbestand der Nr 3103 VV RVG abzustellen, wenn eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren vorausgegangen ist.

2. Auch aus der Sicht des erkennenden Senats als Kostensenat des BayLSG rechtfertigen erhebliche Synergieeffekte ein Unterschreiten der so genannten "Mittelgebühr" in kostenrechtlich privilegierten Verfahren, wenn sowohl ein Widerspruchs- oder Klageverfahren einerseits als auch ein Antragsverfahren iS von § 86b Abs 2 SGG andererseits betrieben worden ist oder wird. Ist jedoch wie vorliegend der Sonderfall gegeben, dass ausschließlich die Einleitung eines Antragsverfahrens erforderlich geworden ist, ohne dass es zu einem (parallelen) Widerspruchs- oder gar Hauptverfahren gekommen ist, dann fällt hier nur die Verfahrensgebühr nach Nr 3102 VV RVG an, wobei ein Ansatz der "Mittelgebühr" von 250 Euro nicht unbillig iS von § 14 Abs 1 S 4 RVG ist.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2; VV RVG Nr. 3103; RVG § 55

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 31.01.2006 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.12.2005 - S 10/8 AS 250/05 ER Ko. - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdegegner hat G. S., geb. 1959, in dem Antragsverfahren S 8 AS 250/05 ER vor dem Sozialgericht Bayreuth vertreten. Dieses hat mit Beschluss vom 08.11.2005 der Antragstellerin Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und den Beschwerdegegner beigeordnet.

Das mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 20.07.2005 eingeleitete Antragsverfahren ist bereits zuvor mit Schriftsatz des Beschwerdegegners vom 07.09.2005 in der Hauptsache für erledigt erklärt worden. Das Sozialgericht Bayreuth hat mit weiterem Beschluss vom 09.02.2006 - S 8 AS 250/05 ER ausgesprochen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

Am 16.11.2005 hat der Beschwerdegegner die Kostenfestsetzung gemäß § 55 RVG beantragt und einen Betrag von insgesamt 313,20 EUR geltend gemacht. Dieser hat sich wie folgt aufgeschlüsselt:

- Verfahrensgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten,  § 14 RVG, Nr. 3102 VV RVG

   250,00 EUR

 - Post und Telekommunikation, Nr.7002 VV RVG

 20,00 EUR

- 16 % Mehrwertsteuer, Nr.7008 VV RVG

   43,20 EUR

 313,20 EUR

Am 22.11.2005 hat die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Bayreuth die außergerichtlichen Kosten wie folgt festgesetzt:

- Verfahrensgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten,  §§ 3, 14 RVG, Nr.3102 VV RVG

    84,00 EUR

- Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

- Umsatzsteuer auf die Vergütung

   16,64 EUR

120,64 EUR

Hiergegen hat der Beschwerdegegner am 29.11.2005 Erinnerung eingelegt und darauf hingewiesen, dass das Gesetz eine Reduzierung der Gebühr nach Nr.3102 VV RVG nicht vorsehe. Im Übrigen würde eine derart drastische Gebührenreduzierung dazu führen, dass eine anwaltliche Vertretung in Sozialgerichtsangelegenheiten, in denen ein einstweiliger Rechtsschutz erforderlich sei, künftig nicht mehr möglich sei. Die Kostenbeamtin hat unter Hinweis auf eine entsprechende Weisung des Beschwerdeführers vom Oktober 2005 der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang der zuständigen Kostenrichterin am Sozialgericht Bayreuth vorgelegt.

Im Folgenden hat das Sozialgericht Bayreuth mit Beschluss vom 16.12.2005 - S 10/8 AS 250/05 ER Ko. - ausgesprochen: Auf die Erinnerung vom 29.11.2005 werden der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.11.2005 teilweise aufgehoben und die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen antragsgemäß auf 313,20 EUR festgesetzt. Die Beschwerde wird zugelassen. - In den Gründen ist hervorgehoben worden, dass eine Verschränkung der beiden kostenrechtlichen Regelungen in § 197 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) weder für einzelne Verfahrensarten noch für einzelne Instanzen vorgesehen ist. Die einzige Sonderregelung besteht nach der durch das 7. SGG-Änderungsgesetz vom 09.12.2004 (BGBl.I, 3302) mit Wirkung vom 01.01.2005 eingefügten Regelung des § 197a Abs.3 SGG für Träger der Sozialhilfe. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine Ausnahmeregelung für Eilverfahren des nach § 183 SGG kostenprivilegierten Personenkreises übersehen hätte, sind angesichts der strikten kostenrechtlichen Trennung nicht ersichtlich. Der Kostenbeamte hat die kostengrundrechtliche Entscheidung des Fachgerichts gemäß § 197 SGG entweder nach §§ 192 bis 194 SGG (für den kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG) oder nach § 197a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (für den nicht privilegierten Personenkreis) ohne Unterscheidung nach der Art des Verfahrens bzw. des Klagebegehrens auszufüllen. Diese strikte Trennung allein nach P...

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