Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Versäumung der Antragsfrist. keine Einräumung einer Nachfrist. Unkenntnis über den Anspruch auf Insolvenzgeld. Kenntnis vom Insolvenzereignis. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Die Unkenntnis vom Anspruch auf Insolvenzgeld führt dann nicht zu einer unverschuldeten Fristversäumnis, wenn dem Antragsteller das Insolvenzereignis bekannt ist.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.10.2017 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG), bei dem die Zahlung von Insolvenzgeld streitig ist.
Der Kläger war vom 21.07.2015 bis zu seiner Kündigung zum 29.09.2015 als Bauhelfer bei der Firma K. Bau-GmbH (K), F., beschäftigt. Bereits ab Juli 2015 wurde der vereinbarte Lohn nicht vollständig gezahlt. Nachdem K zunächst mit Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 03.11.2015 (Az: XXX) ua verurteilt worden ist, ausstehenden Arbeitslohn iHv 3.976 € brutto sowie weitere 153,05 € netto an den Kläger zu zahlen, wurde ein Einspruch der K mit Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 10.12.2015 verworfen. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil teilte der Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 26.01.2016 mit, es bestehe Vollstreckungsschutz. Mit Beschluss vom 15.03.2016 hat das Amtsgericht F. (Az: XXX) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der K eröffnet. Seine Forderung auf Arbeitsentgelt meldete der Kläger am 31.03.2016 beim Insolvenzverwalter an.
Den am 05.07.2016 gestellten Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2016 ab, da der Antrag nicht innerhalb der Ausschlussfrist gestellt worden und eine Nachfrist nicht einzuräumen sei.
Dagegen hat der Kläger Klage beim SG erhoben und die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren beantragt. Er sei rumänischer Staatsangehöriger und der deutschen Sprache nicht mächtig sowie völlig unkundig im deutschen Recht. Auf den Hinweis des Arbeitsgerichts habe er seine Forderung beim Insolvenzverwalter angemeldet. Nachdem keinerlei Antwort gekommen sei, habe er Anfang Juli 2016 einem Bekannten davon erzählt. Sie seien zusammen zum Insolvenzverwalter gegangen, der mitgeteilt habe, er werde kein Geld erhalten. Sein Bekannter habe ihn darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit der Zahlung von Insolvenzgeld in Deutschland gebe und ihm zu einer entsprechenden Antragstellung bei der Beklagten geraten, was er dann auch getan habe. Er habe die Ausschlussfrist unverschuldet versäumt, da er keinerlei Kenntnis oder Kenntnisnahmemöglichkeit vom Insolvenzgeld gehabt und sich in ausreichendem Maße um die Verfolgung seiner Rechtsansprüche gegenüber K gekümmert habe. Unverzüglich nach Kenntniserlangung von der Möglichkeit einer Insolvenzgeldzahlung habe er dieses beantragt. Nach den Entscheidungen des Hessischen Landessozialgerichts vom 26.10.2007 (L 7 AL 185/05) und 24.03.2011 (L 1 AL 89/10) und der Kommentierung bei Gagel zum SGB III seien die Voraussetzungen für die Gewährung einer Nachfrist gegeben. Er habe auch keinen Anwalt zur Seite gehabt, der ihn hätte beraten können.
Mit Beschluss vom 06.10.2017 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Es liege keine hinreichende Aussicht auf Erfolg vor. Der Antrag auf Insolvenzgeld sei außerhalb der Ausschlussfrist gestellt worden. Die Unkenntnis von einem Anspruch auf Insolvenzgeld sei nicht beachtlich.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es gelte ein individueller Verschuldensmaßstab. Er habe keinerlei Kenntnis von der Möglichkeit zur Beantragung von Insolvenzgeld gehabt. Mangels Arbeitslosigkeit im Anschluss an das Beschäftigungsverhältnis bei K habe es auch nicht zu einer Beratung durch die Beklagte kommen können. Er habe sich in ausreichendem Maße um die Durchsetzung seiner Ansprüche gekümmert und mit einem der deutschen Sprache Kundigen beim Insolvenzverwalter nachgehakt. Direkt nach der Auskunft, dass er kein Geld erhalten werde, habe er Insolvenzgeld beantragt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Hinblick auf Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 GG ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Recht...