Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Anordnung
Leitsatz (amtlich)
Nach Interessenabwägung kein Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II bzw § 21 Abs 6 SGB II.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen Ziffern I. und II. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 23.04.2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes insbesondere der Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf vom Antragsteller (ASt) geltend gemachte Mehrbedarfe und der Höhe des Regelbedarfs sowie die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Höhe der Mietobergrenze.
Der ASt, der u.a. an gemischter Hyperlipidämie mit erhöhten Triglyceriden, multipler Fettstoffwechselstörung, Migräne, Refluxkrankheit der Speiseröhre sowie an orthopädischen Leiden (Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sowie der Wirbelsäule) leidet, und bei dem ein GdB von 40 festgestellt wurde, bezieht vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Bereits in früheren Verfahren machte er im Hinblick auf seine Erkrankungen Mehrbedarfe geltend. So legte er ein Attest des Dr. R. vom 20.12.2011 vor, wonach er wegen einer multiplen Fettstoffwechselstörung auf fettreduzierte Produkte besonders aus Geflügel bzw Soja angewiesen sei. Entsprechende Lebensmittel seien deutlich teurer. Nach einem weiteren Attest des Assistenzarztes S. vom 15.12.2011 bedarf der ASt einer streng triglyzerid- und cholesterinsenkenden Kost. Daneben listete der ASt die ihm aus seiner Sicht entstehenden Mehraufwendungen auf und fügte diverse Belege (insbesondere Rechnungen, Quittungen und Verschreibungen) an. Neben Sojaprodukten werden insbesondere Produkte für die Cholesterin- und Triglycerinsenkung, Efalax flüssig, eine Gesundheitsmatratze, hochwertige Schuhe, orthopädische Einlagen, zahnärztliche Behandlungen (Schiene für "verschobenen Kiefer"; Zahnfüllungen; Zahnreinigung), Spritzenbehandlungen, Ultraschallbehandlungen, Krankengymnastik, Schmerzgel, Eigenblutinjektionen, Erkältungsbäderzusätze, Erkältungstee/Arzneitee und Pflegecreme wegen Hautkrankheit aufgeführt.
Zuletzt bewilligte der Ag mit Bescheid vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 Leistungen in Form des Regelbedarfs von 374 € und die dem ASt tatsächlich entstehenden Unterkunftskosten (Grundmiete, Betriebs- und Heizkosten) von 370,87 € monatlich für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung sei beim ASt im Hinblick auf ein beim Gesundheitsamt W. eingeholtes Gutachten vom 13.01.2012 nicht gegeben. Es fehle zudem ein erforderlicher Kost- und Ernährungsplan.
Dagegen hat der ASt am 30.03.2012 beim Sozialgericht Würzburg (SG) "Eil-Klage" (S 9 AS 250/12) erhoben und insbesondere die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II von mindestens 75 € und einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II von 75 € beantragt. Zudem hat er die Überprüfung der Mietobergrenzen bzw der Angemessenheitsgrenze und deren Erhöhung begehrt. Aufgrund seiner Erkrankungen habe er einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, wodurch ihm seit Jahren ein besonderer, jährlich steigender finanzieller Aufwand entstehe. Er habe bereits mehrere ärztliche Atteste und Schreiben beim Ag vorgelegt. Ein weiterer Mehrbedarf entstehe aufgrund von krankheitsbedingt notwendigen Ausgaben für Spritzen, Salben, Medikamente, orthopädische Schuh-Einlagen, Zuzahlungen usw. Die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 13.01.2012 sei nicht korrekt. Es seien dort nicht alle Erkrankungen berücksichtigt. Ebenso fehlten Aussagen zu dem Bedarf an Einlagen, Spritzen und selbst zu zahlenden Medikamenten. Ein Umzug scheitere daran, dass die Mietobergrenze zu niedrig sei.
Das SG hat die "Eil-Klage" auch als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die geltend gemachten Mehrbedarfe ausgelegt und diesen Antrag mit Beschluss vom 23.04.2012 (Ziffern I. und II.) abgelehnt. Im Hinblick auf die Stellungnahme des Gesundheitsamtes sei ein Anordnungsanspruch hinsichtlich des ernährungsbedingten Mehrbedarfs nicht gegeben. Die sonst geltend gemachten Bedarfe seien teilweise keine laufenden Bedarfe, für die § 21 Abs 6 SGB II als Anspruchsgrundlage ausscheide. Zudem handele es sich überwiegend um eine medizinische Versorgung, für die die Krankenkasse zuständig sei. Eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung bestehe insofern nicht. Bei den Aufwendungen für Erkältungsbäderzusätze bzw für den Erkältungstee liege jedenfalls keine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf vor.
Dagegen hat der ASt beim Bayer. Landessozialgericht Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Er sei auf den vermehrten Verzehr von Sojaprodukten angewiesen, da er tierische Fette nicht essen solle. Er benötige h...