Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung. Anordnungsgrund. Vorwegnahme der Hauptsache. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Diabetes mellitus. Neurodermitis. Vollkost. Kosten der Unterkunft. Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs. Existenzminimum
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Diabetes mellitus begründet i.d.R. keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.
2. Die Festsetzung des seit dem 01.01.2012 geltenden Regelbedarfs ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 2 S. 2; SGB II § 21 Abs. 5, § 22; WoGG § 12
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.02.2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig sind im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes insbesondere höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller (ASt) leidet an Diabetes mellitus und Neurodermitis. Bis einschließlich März 2010 berücksichtigte der Antragsgegner (Ag) einen Mehrbedarf für Ernährung iHv 25,56 €. Die Unterkunftskosten des ASt betragen monatlich 474 € (358 € Rohmiete, 101 € kalte Nebenkosten und 15 € Kaltwasser), für Heizkosten inklusive Warmwasserzubereitung muss er nach eigenen Angaben monatlich 89 € als Abschlag zahlen. Hinsichtlich der Unterkunftskosten wies der Ag mit Schreiben vom 26.10.2010 und am 09.11.2010 darauf hin, diese lägen über der Mietobergrenze von 356 € und würden in tatsächlicher Höhe nur noch für sechs Monate übernommen. Im Hinblick auf vom ASt nachgewiesene Umzugsbemühungen berücksichtige der Ag bis einschließlich September 2011 die tatsächlichen Mietkosten (Bescheid vom 24.03.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.04.2011 und 12.05.2011).
Mit Bescheid vom 28.09.2011 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2011) bewilligte der Ag für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.03.2012 Alg II iHv monatlich 789,26 € (364 € Regelbedarf und 425,46 € Kosten der Unterkunft und Heizung). Über die dagegen vom ASt beim Sozialgericht Nürnberg (SG) eingelegte Klage (Az: S 6 AS 1381/11) ist bislang nicht entschieden.
Bereits am 06.10.2011 hat der ASt beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die von ihm erwarteten Leistungen iHv monatlich 987,72 € seien nicht in voller Höhe bewilligt und ausgezahlt worden. Der Regelbedarf sei zu niedrig angesetzt und die Kosten für Unterkunft und Heizung seien in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Ihm seien Leistungen für einen besonderen Bedarf im Hinblick auf die Neurodermitis und die Diabetes-Erkrankung sowie nicht vollständig vom Regelsatz gedeckte Aufwendungen für Mobilität, Wohnen, Strom und Gesundheitspflege zu gewähren. Die ihm vorenthaltenen Beträge seien nach Rechtskraft der endgültigen Entscheidung zu verzinsen.
Mit Beschluss vom 07.02.2012 hat das SG den Ag verpflichtet, vorläufig für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.03.2012 monatlich 393,80 € für die Kosten der Unterkunft und 89 € für die Kosten der Heizung bei der Leistungsgewährung zugrunde zu legen sowie ab dem 01.01.2012 einen Regelbedarf von 374 € zu gewähren. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Die Neuregelung der existenzsichernden Leistungen entspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings seien ab 01.01.2012 monatlich 374 € für den Regelbedarf zu berücksichtigen. Bezüglich der Unterkunftskosten fehle es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der Mietobergrenzen iSd Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Es ergebe sich somit ein Anspruch in Höhe des durch einen Zuschlages (ca. 10 %) maßvoll erhöhten Tabellenwertes aus § 12 Wohngeldgesetz. Hieraus folge vorliegend ein Betrag von 393,80 €. Der Abschlag von 89 € für die Fernwärme sei in voller Höhe zu berücksichtigen, da mangels technischer Einrichtungen keine nachvollziehbaren, getrennten Werte für Heiz- und Warmwasserkosten ermittelt werden könnten. Leistungen für besondere Bedarfe stünden dem ASt nicht zu, da diese mit dem Ansatz im Regelbedarf als abgegolten gelten. Anfallende Mehrkosten seien durch Einsparungen in anderen Lebensbereichen zu decken. Bei den Kosten für Medikamente, Fahrtkosten zu Behandlungen etc sei zudem auf Ansprüche gegen die Krankenkasse zu verweisen. Das Vorliegen eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändigere Ernährung aufgrund einer Erkrankung an Diabetes mellitus und Neurodermitis sei derzeit noch ungeklärt. Der ASt habe sich bereit erklärt, ein vom Ag in Auftrag gegebenes Gutachten abzuwarten, weshalb insofern ein Anordnungsgrund fehle. Über Zinsansprüche sei noch nicht zu entscheiden, da Zinsen erst ab Rechtskraft der endgültigen Entscheidung gefordert würden.
Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er begehre Unterkunftskosten iHv 438 €, einen Fernwärmeabschlag iHv 89 €, einen Frischwasserzuschlag iHv 15 €, Leistungen für besondere Bedarfe, die Stattgabe seiner im Widerspruch g...