Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Inklusion gehörloser Schüler. keine Übernahme der Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe einer Regelschule mit maximal 10 Schülern. Zuständigkeit des Schulträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Es besteht kein Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der entstehenden Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe einer Regelschule mit maximal 10 Schülern.
2. Eingliederungshilfe wird nicht für eine Maßnahme im Kernbereich der schulischen Verantwortung geleistet, die in den Pflichtenkreis des Schulträgers fällt.
3. Die Schule ist kein Leistungserbringer im System der Sozialhilfe (vgl §§ 75 ff SGB XII).
4. Die Einrichtung einer Klasse einer bestimmten Größe ist eine Maßnahme im Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen (hier namentlich der BayEUG und der Bestimmungen der UN BRK) bestimmt.
5. Hierfür sind nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteile vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R = BSGE 112, 196 = SozR 4-3500 § 54 Nr 10 und vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R = BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8) die Schulträger zuständig.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 21. August 2015, S 3 SO 69/15 ER, wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe für den Antragsteller (es verbleibt bei der Bezeichnung der Beteiligten im Ausgangsverfahren) mit maximal 10 anstelle von bis zu 33 Schülern im Schuljahr 2015/2016 an dem S.-K.-Gymnasium in K-Stadt im Schulmodus G 8, hilfsweise im Schulmodus "Mittelstufe Plus".
Der 2001 geborene Antragsteller ist auf Grund einer im ersten Lebensjahr erlittenen Meningitis beidseits gehörlos und seit dem Jahr 2002 beidseits mit Cochlea-Implantaten (elektronische Hörprothesen) versorgt. Bis April 2014 besuchte er die private Internationale Schule D-Stadt und wechselte dann in die 6. Klasse des S.-K.-Gymnasiums in K-Stadt, Landkreis G.. Dabei handelt es sich um eine öffentliche staatliche Schule, die nicht das Schulprofil "Inklusion" aufweist. Der Sachaufwandsträger der Schule (Landkreis G.) finanzierte bauliche Veränderungen im Hinblick auf die Schallreduzierung (Umbau des Klassenzimmers und Akustikmaßnahmen).
Im Schuljahr 2014/2015 besuchte der Antragsteller mit Erfolg (Notenschnitt 1,64; Zeugnis vom 31.07.2015) die 7. Jahrgangsstufe des Gymnasiums in einer Klasse mit insgesamt 23 Schülern. Während des laufenden Schuljahres wurde dem Antragsteller ein Online-Schriftdolmetscher der Firma "V." zunächst im Umfang von 11, dann von 12 Schulstunden in der Woche bewilligt. Die Kosten hierfür (Stundensatz 75 € je Zeitstunde, sowie 23 € pro Stunde für die Plattformgebühr, insgesamt monatlich 5597,76 €) trug der Antragsgegner (Bezirk Schwaben) als überörtlicher Träger der Sozialhilfe, weil es sich um Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung handele (Bescheide vom 21.11.2014 und vom 04.02.2015). Der Antragsgegner hat beim D. (VG) Klage gegen den Freistaat Bayern auf Erstattung der durch den Einsatz des Online-Dolmetschers entstandenen Aufwendungen erhoben. Über diese Klage (Au 3 K 15.198), ist noch nicht entschieden. Hintergrund ist, dass der Antragsgegner mit dem Antragsteller der Auffassung ist, letzterem stehe - wie vom Mobilen Sonderpädagogischen Dienst, vom Förderzentrum Hören und von verschiedenen fachärztlichen Stellungnahmen empfohlen - ein Anspruch auf Beschulung in einer Klasse mit nur 10 Schülern zu, um keinem gesundheitsschädlichen Hörstress ausgesetzt zu sein. Die vom Antragsgegner bewilligte Eingliederungshilfe sei nur erforderlich, weil der Freistaat Bayern seiner Pflicht zur Ermöglichung einer inklusiven Schulbildung nicht nachkomme.
Am 09.07.2015 hat der Antragsteller beim VG den Antrag gestellt, den Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, und den Landkreis G. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe mit maximal 10 Schülerinnen und Schülern unter Übernahme der hierfür notwendigen Schul- und Personalaufwendungen für das Schuljahr 2015/2016 im Schulmodus G8, hilfsweise im Schulmodus "Mittelstufe plus", einzurichten. Mit Beschluss vom 10. August 2015 hat das VG den Antrag (Au ) abgelehnt, weil der Antragsteller oder seine Eltern kein allgemeines Recht auf eine bestimmte Klassenbildung hätten. Es handele sich um eine schulinterne Organisationsmaßnahme. Auch auf Grund der besonderen Situation des Antragstellers ergebe sich weder aus der UN-BRK ...